Leitsatz
1. Ein Pflichtteilsanspruch kann vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden. Der Anspruch ist dann ohne Einschränkung mit einem Pfandrecht belegt, darf aber erst verwertet werden, wenn die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO vorliegen.
2. Der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses und dieser Beschluss müssen keine Angaben dazu enthalten, ob vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit vorliegen. Im Hinblick auf die missverständliche Formulierung des § 852 Abs. 1 ZPO wird den Vollstreckungsgerichten bis zu einer gesetzlichen Regelung empfohlen, in den Pfändungsbeschluss in allgemein verständlicher Form einen Hinweis aufzunehmen, dass die Verwertung des Anspruchs erst erfolgen darf, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.
3. Der gepfändete Pflichtteilsanspruch darf dem Gläubiger erst zur Einziehung überwiesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO vorliegen. Der Gläubiger kann in entsprechender Anwendung von § 836 Abs. 3 ZPO insoweit Auskunft vom Schuldner verlangen.
BGH, 26.2.2009 – VII ZB 30/08
1 I. Der Fall
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Auf seinen Antrag hat das Vollstreckungsgericht den angeblichen Anspruch der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin "auf Pflichtteil nach …, gestorben am …" gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen. Der Gläubiger hat sich weder in seinem Antrag noch im weiteren Verfahren dazu geäußert, ob der Pflichtteilsanspruch durch Vertrag anerkannt worden oder rechtshängig geworden ist. Auch der PfÜb enthält insoweit keine Angaben sowie keine Hinweise auf eine eingeschränkte Wirkung der Pfändung. Die Drittschuldnerin hat gegen den PfÜb Erinnerung mit der Begründung eingelegt, die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO müssten bereits im Antrag dargelegt und im Beschluss zum Ausdruck gebracht werden; ein Überweisungsbeschluss sei erst zulässig, wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien. AG und LG haben diese Einwände zurückgewiesen. Der BGH hatte sich mit diesen Fragen nun aufgrund der zugelassenen Rechtsbeschwerde zu befassen.
2 II. Die Entscheidung
Pflichtteilsanspruch ist pfändbar …
Gemäß § 852 Abs. 1 ZPO ist der Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt worden oder rechtshängig geworden ist. Trotz dieses Wortlauts ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Zugriff der Gläubiger auf den Anspruch möglich, bevor die Voraussetzungen der Norm vorliegen. Gepfändet wird dann der in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO aufschiebend bedingte Pflichtteilsanspruch (BGH NJW 1993, 2876; BGH NJW 1997, 2384). Der Anspruch ist ohne Einschränkung mit einem Pfandrecht belegt. Der Schuldner darf über die Forderung nicht mehr verfügen. Der Rang des Pfandrechts bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Pfändung.
… jedoch erst unter weiteren Voraussetzungen verwertbar
Der gepfändete Anspruch darf jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO verwertet werden. Damit hängt nicht die Pfändbarkeit, sondern erst die Verwertbarkeit vom vertraglichen Anerkenntnis bzw. von der Rechtshängigkeit ab. Welche Anforderungen nach diesen Grundsätzen an den Inhalt von Pfändungsantrag und -beschluss zu stellen sind, ist umstritten.
Hier wird gestritten
Einerseits wird vertreten, der Gläubiger müsse in seinem Antrag schlüssig vortragen, dass die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO vorlägen (Behr, JurBüro 1996, 65; Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 852 ZPO Rn 6; MünchKommZPO-Smid, 2. Aufl., § 852 Rn 5). Der Pfändungsbeschluss müsse erkennen lassen, ob der Rechtspfleger von einem Anerkenntnis oder von der Rechtshängigkeit ausgegangen sei (Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 4. Aufl., § 852 Rn 6). Da die Verwertbarkeit in der Schwebe bleibe, solange die Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt seien, gehöre ein entsprechender Hinweis zur Bestimmung des Anspruchs in Antrag und Beschluss (Kuchinke, a.a.O.; LG Münster NJW-RR 2006, 1020, 1021).
BGH entscheidet die Streitfrage
Der BGH folgt jedoch einer anderen Auffassung in der Literatur, wonach Antrag und Beschluss insoweit keine Angaben enthalten müssen (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 273a und bei Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 852 Rn 3, 4; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 852 Rn 4; Musielak/Becker, ZPO, 6. Aufl., § 852 Rn 3; Greve, ZIP 1996, 699, 701). Die vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit sind danach nicht Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Es liegt kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor, wenn der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur Pfändung eines Pflichtteilsanspruchs oder der Beschluss selbst keine Angaben dazu enthalten, ob der Anspruch vom Schuldner vertraglich anerkannt worden oder rechtshängig geworden ist. Mangels Voraussetzung für die Pfändung des Anspruchs sind sie vom Vollstreckungsgericht auch nicht zu prüfen. Ohnehin wird der Gläubiger häufig nicht über entsprechende Erkenntniss...