Erinnerung gegen Vorpfändung trotz PfÜB zulässig
Die nach § 793 ZPO statthafte und zulässige – insbesondere form- und fristgerecht erhobene – sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar war die Erinnerung nicht schon aufgrund eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurückzuweisen. Dies folgt insbesondere nicht aus der formellen Rechtskraft des PfÜB. Denn für die Wirksamkeit des PfÜB ist der Bestand der zu pfändenden Forderung irrelevant. Daraus folgt, dass sich auch aus der Rechtskraft des Beschlusses nicht ableiten lässt, ob die Pfändung Erfolg hatte oder ob der PfÜB ins Leere ging.
Wer hat den Vorrang: Abtretung oder Pfändung?
Für die Frage, ob im vorliegenden Fall die Forderungspfändung erfolgreich war, ist vielmehr von Bedeutung, ob die unstreitig erfolgte Abtretung der Forderung gegenüber der Gläubigerin wirksam erfolgen konnte. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die zuvor erfolgte Vorpfändung wirksam gewesen und somit nach §§ 845, 930 ZPO die Wirkung eines Arrestes eingetreten wäre. Der Schuldner hat somit ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, die Wirksamkeit der Vorpfändung überprüfen zu lassen. Die Vorpfändung, die Gegenstand der Erinnerung des Schuldners war, ist wirksam erfolgt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 46 Abs. 6 AO vor.
Dabei scheidet ein Verstoß gegen § 46 Abs. 6 AO nicht schon deswegen aus, weil die Norm auf Vorpfändungen keine Anwendung fände. Zwar bezieht sich § 46 AO seinem Wortlaut nach nur auf den PfÜB. Die Norm ist jedoch erweiternd auch auf Vorpfändungen anzuwenden (ganz h.M., vgl. Buciek, DB 1985, 1428; MüKo/Smid, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 829 Rn 15; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 829 Rn 28; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl. 2010, Rn 371; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 829 Rn 33 "Steuererstattung"). Dies folgt schon daraus, dass eine Vorpfändung als "Minus" in einer Pfändung enthalten ist. Im Übrigen ergibt sich eine Anwendbarkeit auch aus dem Sinn und Zweck der Norm. § 46 Abs. 6 AO hat zum Ziel, der Finanzverwaltung denjenigen Mehraufwand zu ersparen, der durch die Bearbeitung von im Ergebnis ins Leere gehenden Pfändungen anfallen würde. Dieser Verwaltungsaufwand entsteht jedoch nicht erst mit der Entgegennahme des PfÜB, sondern schon mit der Zustellung der Vorpfändung, die bereits rechtliche Wirkungen erzeugt, die im Rahmen des Verwaltungsvorganges zu berücksichtigen sind.
Auf welchen Zeitpunkt kommt es an?
Einen Verstoß der im vorliegenden Fall erfolgten Vorpfändung gegen die Regelung des § 46 Abs. 6 AO vermag die Kammer indes nicht festzustellen. Denn für die Frage, ob eine Vorpfändung nach § 46 Abs. 6 AO wirksam erfolgt ist, ist nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe des Vorpfändungsschreibens an den Gerichtsvollzieher, sondern auf den Zeitpunkt der Zustellung des Schreibens an den Drittschuldner abzustellen. Dabei ist dieses Ergebnis nicht alleine aus der Regelung des § 845 ZPO abzuleiten, wonach es für die Wirksamkeit einer Vorpfändung auf die Zustellung ankommt. Denn auch für die Wirksamkeit eines PfÜB kommt es auf die Zustellung an. Gleichwohl bestimmt § 46 Abs. 6 AO ausdrücklich, dass der PfÜB nicht vor Fälligkeit des zu pfändenden Anspruches "erlassen" werden darf. Dass hiermit nicht etwa der Zeitpunkt der Zustellung gemeint ist, wird für den PfÜB soweit ersichtlich weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bezweifelt. Vielmehr ist für den Zeitpunkt des "Erlasses" entscheidend, wann ein Beschluss durch den Richter oder den Rechtspfleger unterzeichnet und nachfolgend aus dem internen Geschäftsgang des Gerichtes entlassen wurde (BGHZ 164, 347).
Auftrag kann früher erteilt werden
Zu fragen ist somit, welcher Zeitpunkt bei einer Anwendung des § 46 Abs. 6 AO auch auf Vorpfändungen dem Erlass eines PfÜB entspricht. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Mitwirkung des GV bei der Vorpfändung eine entscheidende Bedeutung zukommt. Allein die Zustellung durch den GV verleiht der privaten Pfändungsankündigung ihre "quasihoheitliche" Wirkung. Die private Ankündigung der Pfändung stellt sich demgegenüber als rechtliches Nullum dar, das insbesondere eine Rechtswirkung im Sinne einer Arrestwirkung nicht zu begründen vermag. Vor diesem Hintergrund kann mit "Erlass" als Bezeichnung des endgültigen Verlassens der Hoheitssphäre der staatlichen Organe nicht bereits die Übergabe eines Vorpfändungsschreibens an den GV gemeint sein. Vielmehr muss darauf abgestellt werden, wann der GV durch seine Entäußerung in Richtung auf den Rechtsverkehr der Vorpfändung Wirkung verleiht. Dieser Zeitpunkt fällt im Falle einer Übergabe durch den GV an den Drittschuldner mit dem Zustellungszeitpunkt zusammen. Auf die Frage, ob der GV das Vorpfändungsschreiben auf Aufforderung des Gläubigers nach § 845 Abs. 1 S. 2 ZPO selbst gefertigt hat, kommt es insofern nicht an.