Pragmatisch, aber problematisch
Die Entscheidung scheint auf den ersten Blick pragmatisch und im Ergebnis auch überzeugend zu sein. Tatsächlich wirft sie aber mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt.
Zunächst ist mit dem LG davon auszugehen, dass mangels Einwilligungsvorbehalt nicht von einer zu vermutenden Geschäftsunfähigkeit auszugehen war, sondern – im Gegenteil – die Geschäftsfähigkeit anzunehmen war.
Wie wäre der Fall der Ersatzzustellung zu behandeln?
Dem Gerichtsvollzieher kommt dann weder formal noch materiell eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit bei der Zustellung zu. Es mag insoweit nur beachtet werden, dass es reiner Zufall war, dass der Gerichtsvollzieher den Drittschuldner angetroffen hat. Wäre es zu einer Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten gekommen – die häufigste Zustellungsform –, hätte der Gerichtsvollzieher schon formell gar keine Einschätzung zur Geschäftsfähigkeit abgeben können.
Kann der GV die Geschäftsfähigkeit beurteilen?
Auch materiell erscheint fraglich, ob der GV die Geschäftsfähigkeit tatsächlich beurteilen kann. Vielleicht ist die hinreichende Einsichtsfähigkeit nur gegeben, wenn der Betreute Medikamente genommen hat und dies war beim Erscheinen des GV noch nicht der Fall. Denkbar ist auch, dass der GV den Betreuten "überrascht" hat, an der hinreichenden Beurteilungsfähigkeit in Ruhe aber nicht zu zweifeln ist.
Es besteht kein Bedürfnis zur Klärung durch den GV
Letztlich besteht auch kein Bedürfnis für die entsprechende Feststellung des GV. Im Einziehungsprozess gegen den Drittschuldner wird die Wirksamkeit der Pfändung und damit die Wirksamkeit der Zustellung durch das dafür berufene Prozessgericht geprüft. Dabei ist hier zu sehen, dass die Schuldnerin als Betreuerin und letztlich nach § 841 ZPO am Prozess zu beteiligende Streitverkündete auf diesen Sachverhalt hinweisen kann.
Der GV kann den vom LG aufgezeigten Weg beschreiten und den Gläubiger – im Übrigen auch den Schuldner (den Betreuer) – auf Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit hinweisen. Es obliegt dann dem Gläubiger zu beurteilen, ob er es darauf ankommen lässt oder einen anderen Weg beschreitet.
Alternative für den Gläubiger
Liegt ein Betreuungsfall beim Drittschuldner vor, sollte der Gläubiger den PfÜB nach § 829 Abs. 3 ZPO grundsätzlich dem Betreuten wie dem Betreuer zustellen lassen. Dies kann auf S. 8 oder 9 des PfÜB-Antrages vorgegeben werden.
Ist der Betreuer Schuldner, ist dies aber nicht möglich. Nach § 178 Abs. 2 ZPO darf an eine der in Abs. 1 bezeichneten Personen, die am Rechtsstreit als Gegner der Person, der zugestellt werden soll, beteiligt ist, nicht zugestellt werden. Nach § 841 ZPO ist dem Schuldner aber zwingend im Einziehungsprozess der Streit zu verkünden, so dass die Zustellung unwirksam ist.
Es bleibt also nur, beim Betreuungsgericht den Antrag auf Bestellung eines Zustellungsbetreuers für den Betreuten zu stellen. In diesem Fall wird schon das Betreuungsgericht auf der Grundlage besserer Erkenntnisse als der GV feststellen können, ob der Betreute in der Lage ist, eine Zustellung wirksam entgegenzunehmen. Zugleich wird die Information des Betreuungsgerichts über die finanziellen Probleme des Schuldners auch einen gewissen Vollstreckungsdruck erzeugen. Das Betreuungsgericht wird vor diesem Hintergrund auch zu prüfen haben, ob dem Betreuer die finanziellen Angelegenheiten des Betreuten noch anvertraut werden können.
FoVo 6/2019, S. 113 - 116