Leitsatz
Vereinbaren die Eheleute im Rahmen einer Ehewohnungssache, dass die Ehewohnung einem Ehegatten zur alleinigen Nutzung überlassen wird, kann hieraus die Räumungsvollstreckung nicht betrieben werden, solange die Vereinbarung nicht auch die Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Ehewohnung enthält.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2020 – 2 WF 13/20
1 I. Der Fall
Vollstreckbare Ausfertigung eines Vergleichs
In einem von dem Ehemann eingeleiteten Verfahren gemäß § 1361b BGB schlossen die Eheleute in der mündlichen Verhandlung vom 25.2.2019 einen Vergleich, nach dessen Ziff. 2 dem Antragsteller die näher bezeichnete Ehewohnung ab dem 1.9.2019 zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Zu diesem Vergleich wurde dem Antragsteller unter dem 29.8.2019 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt.
Hiergegen wandte sich die Ehefrau mit einer Klauselerinnerung, die das Familiengericht zurückwies. Ihr hiergegen eingelegtes Rechtsmittel hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Zulässige sofortige Beschwerde gegen die Vollstreckungsklausel
Der Senat hat die Zwangsvollstreckung aus der zu dem Vergleich erteilten vollstreckbaren Ausfertigung auf Kosten des Antragstellers eingestellt. Hierbei wurde das Rechtsmittel der Antragsgegnerin als sofortige Beschwerde gegen die Klauselerinnerungsentscheidung ausgelegt, auch wenn mit dem gestellten Antrag die Einstellung der Zwangsvollstreckung "aus dem Vergleich", nicht jedoch aus der auf Grundlage des Vergleichs erteilten vollstreckbaren Ausfertigung begehrt worden ist.
Schriftsätzlich hat die Antragsgegnerin hinreichend zum Ausdruck gebracht, Einwendungen im Klauselerteilungsverfahren geltend machen zu wollen. Dieses Rechtsschutzziel verfolgt sie auch in zweiter Instanz weiter.
Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde folgt damit aus § 86 Abs. 3 FamFG i.V.m. §§ 732, 793, 567 ff. ZPO. Da das FamFG keine Regelungen über die Erteilung der Vollstreckungsklausel enthält, sind in Bezug auf das Verfahren und die Rechtsmittel die vorgenannten Regelungen der ZPO anwendbar.
Bestimmtheit eines Herausgabe- und Räumungsanspruchs erforderlich
Das Rechtsmittel hatte auch in der Sache Erfolg. Im Rahmen ihrer Klauselerinnerung rügt die Antragsgegnerin zu Recht, dass die Klausel unzulässig erteilt sei, weil sich aus Ziff. 2 des Vergleichs kein vollstreckungsfähiger Inhalt ergebe. Darin seien die Beteiligten lediglich übereingekommen, dass dem Antragsteller die näher bezeichnete Ehewohnung ab dem 1.9.2019 zur Nutzung überlassen wird. In Rechtsprechung und Literatur sei jedoch anerkannt, dass sich allein aus der Wohnungszuweisung an einen Ehegatten noch kein vollstreckbarer Räumungstitel ergebe. Vielmehr bedürfe es zusätzlich der Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe der Ehewohnung.
Dass die Beteiligten auch einen vollstreckbaren Titel über die Räumung und Herausgabe der Ehewohnung schaffen wollten, ließ sich auch nicht durch Auslegung ermitteln. Eine derartige Verpflichtung wurde in dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz ausdrücklich beantragt, in den Vergleichstext der Beteiligten aber gleichwohl nicht aufgenommen.
3 Der Praxistipp
Die Zwangsvollstreckung beginnt im Erkenntnisverfahren
Die Entscheidung des OLG Zweibrücken bestätigt die alte Regel, wonach die Zwangsvollstreckung bereits im Erkenntnisverfahren beginnt und die Angelegenheit stets von hinten gedacht werden muss. Das ist vorliegend doppelt ärgerlich, weil der Bevollmächtigte im verfahrenseinleitenden Schriftsatz offenbar erkannt hat, dass er einen Herausgabe- und Räumungsanspruch beantragen und titulieren muss. Das muss sich dann auch im Prozessvergleich als Grundlage der Vollstreckung nach § 750 ZPO wiederfinden.
Die materiellen Voraussetzungen der Klauselerteilung
Um eine Vollstreckungsklausel erteilen zu dürfen, muss die zuständige Stelle als Teil der allgemeinen materiellen Voraussetzungen nicht nur prüfen, ob ein formell wirksamer Titel vorliegt, der vollstreckungsreif, d.h. rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar ist. Vielmehr muss auch sichergestellt sein, dass der Titel einen vollstreckbaren Inhalt hat. Daran fehlt es, weil der Vergleich zwar eine materielle Berechtigung auswies, aber eben nicht, dass diese durch Räumung und Herausgabe zu erfüllen ist.
FoVo 6/2020, S. 119 - 120