I. Das Problem der Leserin
Insolvenzanfechtung von Zahlung aus 2001
Der gewerbliche Schuldner – ein Gastronom – ist mit Mietzahlungen gegenüber der Gläubigerin in Rückstand geraten, die die Forderung deshalb an uns übergab. Bei einer monatlichen Miete von 2.363,00 DM waren bis Februar 2001 Rückstände von 30.719,00 DM aufgelaufen. Da der Schuldner die Forderung zunächst nicht ausglich, wurde Mahnantrag nach §§ 688 ff. ZPO gestellt, der am 23.2.2001 erlassen und am 1.3.2001 zugestellt wurde. Darauf wurden im April bis Juli 2001 jeweils 675,63 EUR (1.321,42 DM) gezahlt, dann aber die Zahlungen wieder beendet. Darauf wurde der Vollstreckungsbescheid beantragt und am 3.8.2001 erlassen. In der Folge wurden sechs Monate jeweils 672,57 EUR und dann nach erneut zwei Monaten Zahlungspause noch einmal 1.659,30 EUR gezahlt. Hinzu kam im Juli 2004 noch eine zu berücksichtigende Gutschrift aus einer Betriebskostenabrechnung von 1.198,94 EUR.
Insolvenzverwalter fordert die Zahlungen zurück
Zum Zeitpunkt der Zahlungen waren ein vorangegangenes Insolvenzverfahren oder sonstige Zahlungsunfähigkeit dem Gläubiger bzw. seinen Bevollmächtigten nicht bekannt. Tatsächlich wurde Anfang 2020 ein Insolvenzantrag mangels Masse zurückgewiesen. Der Insolvenzverwalter eines im August 2020 eröffneten Insolvenzverfahrens fordert die Zahlung aus 2001 nun unter Berufung auf § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 143 InsO zurück. Zwischenzeitlich hatte der Schuldner zumindest schon einen weiteren Eröffnungsantrag im Jahr 2007 gestellt, der allerdings mangels Masse abgelehnt wurde.
So argumentiert der Insolvenzverwalter
Im Mai 2000 – so argumentiert der Insolvenzverwalter – sei ein am 4.4.2000 beantragtes Insolvenzverfahren des Schuldners mangels Masse abgewiesen worden. Im April 2000 sei der Schuldner bereits zahlungsunfähig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt bereits Forderungen einer Krankenkasse, des Finanzamts und einer Bank bestanden hätten, die bis heute bestünden. Der im Rahmen der Deckungsanfechtung relevante Drei-Monats-Zeitraum habe deshalb am 4.1.2000 begonnen. Aufgrund der erheblichen Zahlungsrückstände seien auch die Umstände bekannt, die auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen ließen. Dies ergebe sich auch gerade aus dem Umstand, dass es sich um einen gewerblichen Schuldner handele. Die Gesamtzahlungen und Verrechnungen von 9.596,18 EUR seien deshalb zurückzuzahlen.
II. Die Lösung
Die rechtlichen Voraussetzungen
Eine Rechtshandlung ist nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat und sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist. Weiter ist erforderlich, dass der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht nach § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
Hinweis
Für den konkreten Fall ist unerheblich, ob das Anfechtungsrecht zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (2001) oder das Anfechtungsrecht zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung (2022) gilt. Die Norm ist – soweit hier von Relevanz – seit dem Inkrafttreten 1999 unverändert geblieben.
Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden.
Hier ganz speziell: die Rückwirkung von Insolvenzanträgen
Sind – wie hier – mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden, so ist der erste zulässige und begründete Antrag für die Berechnung der Fristen nach den §§ 130 bis 136 ZPO maßgeblich, auch wenn das Verfahren aufgrund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen worden ist. Das ergibt sich aus § 139 Abs. 2 InsO.
Zwischenfazit: Der Anfechtungsgrund liegt objektiv vor
Nimmt man diese Rechtsgrundlagen zusammen, so spricht der erste Blick dafür, dass die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind. Ausgehend von dem ersten Eröffnungsantrag im März 2000 ist die Zahlung – eine (Teil-)Befriedigung des Gläubigers – im Jahr 2001 und damit nach dem Eröffnungsantrag erfolgt. Dass dieses Insolvenzverfahren nicht eröffnet wurde, sondern im Mai 2000 mangels Masse abgewiesen wurde, bleibt nach § 139 Abs. 2 InsO unerheblich.
Aber: Die Anfechtungsvoraussetzungen sind damit nicht erfüllt
So schnell muss der Gläubiger allerdings nicht aufgeben. Vielmehr sind auch die weiteren Voraussetzungen der Anfechtung zu prüfen:
Checkliste: Prüfen Sie alle Anfechtungsvoraussetzungen!
Im Ergebnis sind alle Anfechtungsvoraussetzungen zu prüfen:
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Rechtshandlung des Schuldners nach dem Eröffnungsantrag, |
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objektive Gläubigerbenachteiligung, |
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Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder dem vorherigen Eröffnungsantrag, |
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Der Anfechtungsanspruch muss noch durchsetzbar sein, darf also nicht verjährt sein. |
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Kein Entfallen des Insolvenzgrundes zwischen d... |