Leitsatz
1. Dem Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckung eines Titels auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung steht ein parallel betriebenes Verfahren auf Vollstreckung eines titulierten Auskunftsanspruchs grundsätzlich nicht entgegen. Das mit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verfolgte Ziel, die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Rechnung sicherzustellen und damit die materielle Wahrheit zu erzwingen, geht über das mit der Rechnungserteilung zu erreichende Ziel hinaus, weil insoweit nur eine formal ordnungsgemäße und äußerlich vollständige Rechnungslegung erzwungen werden kann.
2. Für die Frage, ob in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmten Termin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ungerechtfertigt verweigert worden ist, kommt es auch im Beschwerdeverfahren nach dem Wortlaut des § 889 Abs. 2 Fall 2 ZPO auf den Zeitpunkt des Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an.
BGH, Beschl. v. 13.10.2022 – I ZB 69/21
1 Der Fall kurz zusammengefasst
Unterlassungs- und Auskunftsansprüche
Wegen einer Patentverletzung hat die Gläubigerin gegen die Schuldnerin 2014 einen Titel auf Unterlassung und Rechnungslegung erwirkt. Die Schuldnerin hat darauf – nach Ansicht der Gläubigerin unzureichend – Rechnung gelegt. Die Gläubigerin hat darauf einen Zwangsgeldantrag gestellt. Nachdem das LG zunächst ein Zwangsgeld von 1.000 EUR festgesetzt hat, hat es den Antrag auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zurückgewiesen. Das OLG ist auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin dagegen in die andere Richtung gegangen und hat sogar ein Zwangsgeld von 10.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt.
Weitere Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zur erfolgten Rechnungslegung
Parallel zu dem dargestellten Zwangsgeldverfahren erhob die Gläubigerin Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu den – als unzureichend empfundenen – Rechnungslegungen. Das LG verurteilte die Schuldnerin 2017 antragsgemäß, an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte und Rechnungslegung so vollständig und richtig erteilt hat, wie sie dazu imstande ist.
Die Gläubigerin beantragte 2019 die Abnahme dieser eidesstattlichen Versicherung. Nach Erteilung weiterer Auskünfte erklärte der gesetzliche Vertreter der Komplementär-GmbH der Schuldnerin, dass er die eidesstattliche Versicherung mit dem genauen Inhalt des Tenors nicht abgeben werde. Er sei jedoch zur Abgabe mit dem geänderten Inhalt bereit.
Zwangsgeldverfahren (auch) zum zweiten Titel
Die Gläubigerin hat daraufhin beantragt, gegen die Schuldnerin ein empfindliches Zwangsgeld zu verhängen, um diese zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anzuhalten, ersatzweise Zwangshaft. Das AG hat gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 9.000 EUR verhängt und den Antrag, ersatzweise Zwangshaft anzuordnen, mangels namentlicher Nennung eines Geschäftsführers zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Schuldnerin hat das LG den angefochtenen Beschluss aufgehoben und den Zwangsmittelantrag der Gläubigerin sowie deren eigene Beschwerde zurückgewiesen. Nach Ansicht des LG fehlt dem Zwangsgeldantrag auf den zweiten Titel das Rechtsschutzbedürfnis. Primär sei das Auskunftsverfahren (Rechnungslegung) abzuschließen.
2 II. Das Wichtigste aus der Entscheidung
Drei Erkenntnisse aus der Entscheidung
Der BGH folgt dem LG nur im Ergebnis. Für die Vollstreckung ergeben sich aus der Entscheidung des BGH wichtige Hinweise:
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Das Rechtsschutzbedürfnis für die beiden parallelen Zwangsmittelverfahren fehlt nicht. |
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Es muss aber auf einen hinreichend bestimmten Titel geachtet werden und damit auf die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen. |
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Die besonderen Voraussetzungen zur Verhängung eines Zwangsmittels gegen die Schuldnerin gemäß § 889 Abs. 2 i.V.m. § 888 Abs. 1 ZPO müssen dargelegt werden. |
Die Vollstreckung der Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
Ist der Schuldner aufgrund der Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verurteilt, so wird gemäß § 889 Abs. 1 S. 1 ZPO die Versicherung vor dem AG als Vollstreckungsgericht abgegeben, in dessen Bezirk der Schuldner im Inland seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat, sonst vor dem AG als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk das Prozessgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat.
Gemäß § 889 Abs. 2 ZPO verfährt das Vollstreckungsgericht nach § 888 ZPO, wenn der Schuldner in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmten Termin nicht erscheint (Fall 1) oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigert (Fall 2). Nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers zu erkennen, dass der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten ist.
Rechtsschutzbedürfnis liegt vor
Das Rechtsschutzbedürfnis gehört zu den sachlichen Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Es ergibt sich grunds...