Leitsatz
Ein Gläubiger, der gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO den Gerichtsvollzieher beauftragt, Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners i.S.d. § 802l ZPO einzuholen, muss nicht selbst gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben oder stellen, eine Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO einzuholen.
BGH, Beschl. v. 14.1.2021 – I ZB 53/20
1 Der Fall
Gläubiger vollstreckt wegen einer Gebührenforderung
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner wegen titulierter Gebührenforderungen in Höhe von insgesamt 618,80 EUR die Zwangsvollstreckung. Der zu vollstreckende Betrag beläuft sich einschließlich Zinsen und Kosten auf insgesamt 696,11 EUR. Er beauftragte die Gerichtsvollzieherin (GV) mit der Einholung von Drittauskünften gemäß §§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 802l ZPO.
GV lehnt Antrag auf Drittauskünfte ab
Die GV lehnte die Durchführung des Auftrags mit der Begründung ab, ein solcher Antrag könne nur von einem Gläubiger gestellt werden, der zuvor selbst gegen den Schuldner das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft betrieben habe. Das AG hat die vom Gläubiger dagegen eingelegte Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.
AG und LG folgen der GV und widersprechen dem BGH
Das LG hat die sofortige Beschwerde als zulässig, aber unbegründet angesehen. Drittauskünfte gemäß § 802l Abs. 1 ZPO könne nur derjenige Gläubiger erlangen, der zuvor das Verfahren über die Abgabe der Vermögensauskunft gegen den Schuldner betrieben habe. Gegen die unter anderem vom BGH vertretene Gegenauffassung spreche maßgeblich, dass die Einholung von Fremdauskünften unter Berücksichtigung des Rechts des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung sowie in Abwägung mit den Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung gegenüber der Einholung einer Selbstauskunft des Schuldners grundsätzlich subsidiär sei. Auch könne es sich bei den Voraussetzungen für die Datenerhebung, unter denen anderweitig eingeholte Drittauskünfte gemäß § 802l Abs. 4 ZPO einem weiteren Gläubiger übermittelt werden dürften, allein um die in § 802l Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen handeln, dass entweder der Schuldner die Vermögensauskunft verweigere oder eine Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten sei. Wenn danach diese Voraussetzungen "auch bei diesem Gläubiger" vorliegen sollten, spreche alles für eine Auslegung des Gesetzes dahin, dass diese Voraussetzungen auch im Verhältnis zu dem weiteren Gläubiger vorliegen müssten.
2 II. Die Entscheidung
Der BGH widerspricht und bestätigt seine Rechtsprechung
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten nach § 575 ZPO zulässig. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.
Der GV ist nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO beim Vorliegen eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags des Gläubigers befugt, gemäß § 802l ZPO Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners einzuholen. Nach § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO darf er, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben (Nr. 1), das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, gemäß § 93 Abs. 8 AO bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 AO bezeichneten Daten abzurufen (Nr. 2) und beim Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Abs. 1 StVG zu einem Fahrzeug erheben, als dessen Halter der Schuldner eingetragen ist (Nr. 3). Die Erhebung der Daten und das Ersuchen sind nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist.
Keine Notwendigkeit eines – teuren – eigenen Antrags
Das LG hat zu Unrecht angenommen, dass der Gläubiger im Streitfall nicht berechtigt war, eine Drittauskunft zu beantragen. Ein Gläubiger, der gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO den GV beauftragt, Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners i.S.d. § 802l ZPO einzuholen, muss nicht selbst gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO einen eigenen Antrag gestellt haben oder stellen, eine Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802c ZPO einzuholen (vgl. BGH, 20.9.2018 – I ZB 120/17; BGH, 16.5.2019 – I ZB 79/18).
Die Auffassung, die der beschließende Senat insoweit in den beiden vorstehend angeführten Entscheidungen unter Bezugnahme auf den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vertreten hat, ist allerdings sowohl in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (für die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen "isolierten Antrags" durch einen Folgegläubiger LG...