Leitsatz
Ergeht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) auch wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss, erstreckt sich die Pfändung auf die Kosten der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner und an die im Beschluss genannten Drittschuldner.
BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 90/20
1 Der Fall
PfÜB gegen mehrere Drittschuldner
Die Parteien streiten über die Zahlung der Kosten für die Zustellung eines PfÜB an den Schuldner und weitere Drittschuldner.
Die Klägerin erwirkte einen PfÜB, durch den wegen einer titulierten Hauptforderung zuzüglich Zinsen und Kosten Forderungen ihres Schuldners gegen mehrere Drittschuldner gepfändet wurden. Die beklagte Bank, bei welcher der Schuldner ein Konto unterhielt, ist in dem PfÜB als Drittschuldner zu 1 bezeichnet; bei den Drittschuldnern zu 2 und zu 3 handelt es sich um den Arbeitgeber des Schuldners und ein weiteres Bankinstitut. In dem unter Verwendung des amtlichen Formulars erlassenen Beschluss heißt es nach der Auflistung der Beträge, die die Klägerin von dem Schuldner beanspruchen kann:
"Wegen dieser Ansprüche sowie wegen der Kosten für diesen Beschluss (vgl. Kostenrechnung) und wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss wird/werden die nachfolgend aufgeführte/-n angebliche/-n Forderung/-en des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner – einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge – so lange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist."
Die Klägerin ließ den PfÜB unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts durch den Gerichtsvollzieher (GV) an die drei Drittschuldner und den Schuldner zustellen, wodurch Zustellungskosten in Höhe von 20,75 EUR für die Zustellung an die Beklagte, von 32,36 EUR für die Zustellung an den Drittschuldner zu 2, von 20,75 EUR für die Zustellung an den Schuldner und von 33,76 EUR für die Zustellung an den Drittschuldner zu 3 entstanden.
Am 23.1.2019 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.914,75 EUR. Ein Betrag in Höhe von 20,49 EUR aus der Hauptforderung sowie die Zustellungskosten an den Schuldner und die Drittschuldner zu 2 und zu 3 in Höhe von insgesamt 86,87 EUR blieben offen.
Das AG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des noch offen gebliebenen Betrags verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das LG als unzulässig verworfen, soweit die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 20,49 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist, und im Übrigen zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die beklagte Bank, die Abweisung der Klage zu erreichen, soweit sie zur Zahlung der Zustellungskosten an die übrigen Drittschuldner verurteilt wurde.
2 II. Die Entscheidung
BGH folgt dem Kosteninteresse der Gläubiger
Die Klägerin ist gemäß §§ 835 Abs. 1, 836 Abs. 1 ZPO auch bezüglich der Kosten für die Zustellung des PfÜB vom 7.1.2019 an den Schuldner und die weiteren Drittschuldner zur Einziehung berechtigt.
Die mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 7.1.2019 bewirkte Pfändung und Überweisung der Forderung des Schuldners gegen die Beklagte umfasst auch die nach § 788 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO grundsätzlich zugleich mit der Hauptforderung beitreibbaren Kosten der Zustellung an den Schuldner und die weiteren Drittschuldner. Diese Kosten werden in dem Beschluss hinreichend bestimmbar bezeichnet.
PfÜB muss hinreichend bestimmt sein …
Als gerichtlicher Hoheitsakt muss der PfÜB mit der nötigen Klarheit und Bestimmtheit die Anordnung und den Umfang der Pfändung erkennen lassen. Zum notwendigen Inhalt des Pfändungsbeschlusses gehört die Bezeichnung des vollstreckbaren Anspruchs des Gläubigers. Dazu ist der vollstreckbare Anspruch des Gläubigers nach Hauptsache, Zinsen, Prozess- und Zwangsvollstreckungskosten zumindest bestimmbar zu bezeichnen (BGH, 8.7.2008 – VII ZB 69/07, JurBüro 2008, 606). Ungenaue Angaben sind nur dann ausreichend, wenn bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welchen Umfang die Pfändung und das Pfandrecht haben.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss unterliegt der selbstständigen Auslegung durch das Revisionsgericht; die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ist im Revisionsrechtszug frei nachprüfbar (BGH, 25.1.2018 – IX ZR 104/17, WM 2018, 1419 Rn 11). Die Auslegung ist nach objektiven Gesichtspunkten im Wesentlichen nach dem Inhalt des PfÜB vorzunehmen. Umfang und Bestimmbarkeit der vollstreckbaren Forderung müssen sich bei einer nach § 133 BGB vorzunehmenden, nicht am buchstäblichen Sinne haftenden Auslegung des Beschlusses aus diesem selbst ergeben. Ganz offenkundige Tatsachen können für die Auslegung oder zur Ergänzung des Beschlusses herangezogen werden, nicht jedoch außerhalb des Beschlusses liegende Umstände (vgl. BGH, 25.1.2018, a.a.O. Rn 13; vgl. auch Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn B.83 mit B.102).
… was er mit der zitierten Formulierung ist!
Die Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt, dass der PfÜB auch die Kosten der Zustellung des Beschlusses an den Schuldner und die weiteren Drittschuldner erfasst. Der Beschluss wurde unter ...