BGH: Anwaltskosten nein – GV-Kosten ja

Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie nur hinsichtlich der geltend gemachten Gerichtsvollzieher- und Zustellungskosten Erfolg.

GV- und Zustellungskosten sind Kosten der Zwangsvollstreckung

Bei den mit dem Festsetzungsantrag der Gläubigerin begehrten Kosten des Gerichtsvollziehers und der Zustellung handelt es sich um Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. §§ 936, 928, 788 und 104 Abs. 1 ZPO. Zu Recht hat das Beschwerdegericht hingegen die Festsetzung der Kosten für die Anwesenheit der Rechtsanwälte der Gläubigerin beim Begutachtungstermin abgelehnt.

Gegenstand der Vollstreckung: Duldungsverfügung

Mit der einstweiligen Verfügung ist den Schuldnerinnen aufgegeben worden, zur Ermöglichung der Beweisanordnung im parallel geführten selbstständigen Beweisverfahren eine Reihe von Maßnahmen zu dulden. Hierzu zählte die Duldung der Untersuchung des IT-Systems der Schuldnerinnen, der Inaugenscheinnahme und Untersuchung des Programm- und Quellcodes des Programms … sowie des Extrahierens, Sicherns und Vervielfältigens und der Mitnahme des Programm- und Quellcodes. Weiter wurde den Schuldnerinnen untersagt, für die Dauer der Begutachtung Veränderungen am Programm vorzunehmen oder dieses zu löschen. Die Schuldnerinnen wurden weiter verpflichtet, die Anwesenheit des Sachverständigen, seiner Hilfspersonen und vier namentlich genannter anwaltlicher Vertreter der Gläubigerin in ihren Geschäftsräumen während der Begutachtung zu dulden. Die Rechtsanwälte der Gläubigerin wurden zur Geheimhaltung verpflichtet und den Schuldnerinnen wurde die Möglichkeit eingeräumt, während der Zurückstellung der Besichtigung binnen einer Stunde anwaltliche Hilfe hinzuzuziehen. Der Gerichtsvollzieher wurde im Falle der Weigerung der Schuldnerinnen zur Sequestration ermächtigt. Den Schuldnerinnen wurden für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsmittel angedroht.

Kostengrundregelungen bei der einstweiligen Verfügung

Für die Kosten der Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Verfügung gelten die Vorschriften der §§ 788 und 104 ZPO entsprechend. Dies folgt aus § 928 ZPO, der auf die einstweilige Verfügung gemäß § 936 ZPO entsprechende Anwendung findet und der vorsieht, dass auf die Vollziehung des Arrests die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden sind. Das Gesetz versteht unter Vollziehung die Zwangsvollstreckung des Arrests und der einstweiligen Verfügung, wobei die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung deshalb nur entsprechend angewendet werden sollen, weil Arrest- und Verfügungsgläubiger im Regelfall lediglich Sicherung, aber nicht Befriedigung verlangen können (vgl. BGH, 22.10.1992 – IX ZR 36/92, BGHZ 120, 73, 77; BGH, 15.7.1999 – IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208, 209; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 928 Rn 1; Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 57 Rn 2; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 55 Rn 37).

Der Vorwurf, das LG habe zu Unrecht die Begriffe der Vollziehung und der Zwangsvollstreckung gleichgesetzt, geht danach fehl. Vielmehr entspricht die Sichtweise des LG der ständigen Rechtsprechung des BGH.

Kosten sind auch "notwendige" Kosten

Die von der Gläubigerin geltend gemachten Gerichtsvollzieherkosten sowie der Auslagenvorschuss für die Zustellung des KFB stellen notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO dar. Die danach festzusetzenden Kosten belaufen sich auf 99 EUR.

Gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren, dem Schuldner zur Last. Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten verweist die Vorschrift auf § 91 ZPO. Notwendig sind danach Kosten, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die der Gläubiger zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bei verständiger Würdigung der Sachlage zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte. Nicht notwendig sind insbesondere die Kosten voreiliger Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. BGH, 5.3.2020 – I ZB 50/19, juris Rn 16 m.w.N.).

GV sollte im Zweifel den Widerstand brechen

Die Hinzuziehung des GV zum Begutachtungstermin stellt sich mit Blick darauf als für die Anspruchsdurchsetzung erforderlich dar, dass der Erfolg der Begutachtung gefährdet gewesen wäre, wenn die Gläubigerin bei einem ohne GV unternommenen Begutachtungsversuch auf Widerstand der Schuldnerinnen gestoßen wäre. Ein solcher Widerstand hätte nur unter Zuhilfenahme des GV nach § 892 ZPO überwunden werden können. Nur der GV war zudem durch die einstweilige Verfügung für den Fall der Weigerung der Schuldnerinnen zur Wegnahme der zu sequestrierenden Sache ermächtigt (vgl. BGH, 9.11.2000 – III ZR 314/99, BGHZ 146, 20, 22).

Maßgeblich ist die Ex-ante-Sicht

Die Gläubigerin musste nicht das Risiko eingehen, dass in der bis zu einem zweiten, nunmehr in Anwesenheit des GV durchzuführe...

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