Über wen soll man schimpfen?
Man fragt sich, ob man über den BGH schimpfen soll, der eine so praxisferne Entscheidung trifft, die nur Aufwand und Kosten produziert, oder über den Gesetzgeber, der eine so unpraktikable Regelung geschaffen hat. Sie hilft tatsächlich niemandem.
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Der Antrag, der nun im vereinfachten Verfahren elektronisch nicht möglich ist, muss von Rechtsanwälten gleichwohl nach § 130d ZPO elektronisch gestellt werden. Lediglich der Vollstreckungsbescheid als Titel ist dann im Original vorzulegen (hybride Antragstellung). Ein wesentlicher Erkenntnisgewinn ist davon ebenso wenig zu erwarten wie – soweit in der Praxis zu ersehen – ein Missbrauch des vereinfachten Verfahrens zu befürchten ist. |
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Gleiches gilt für Anträge von Inkassodienstleistern, die den Antrag elektronisch nach § 130a ZPO einreichen und dazu das eBO als sicheren Übermittlungsweg nutzen. Auch sie können hybride Anträge stellen, auch wenn sie dies (noch) nicht müssen. Da die elektronische Aktenführung hier aber weit ausgeprägter ist als bei allen anderen Akteuren des Rechtsverkehrs, liegt dies auch sehr viel näher. |
Der Unterschied besteht also lediglich darin, dass statt der Datei mit dem Vollstreckungstitel und den Nachweisen zur Um- oder Beischreibung nun die Originale übersandt werden. Ein irgendwie gearteter Gewinn an Rechtsschutz für den Schuldner ist damit nicht verbunden, da die einschlägigen Datenbanken bisher keine Fälle des Missbrauchs aufzeigen. Allein im Hinblick auf die vom Vollstreckungsorgan durchzuführende formelle Prüfung nach § 750 ZPO ist kein Vorteil zu ersehen, wenn nicht die Fälschung des Titels eingewandt wird. Rechnet der Rechtsdienstleister des Gläubigers seine Auslagen für Post- und Telekommunikation nach Nr. 7001 VV RVG ab, können im Gegenteil dem Schuldner sogar höhere Kosten drohen.
Rechtsprechung wird (hoffentlich) bald überholt sein
Zu sehen ist, dass diese Rechtsprechung in gleicher Weise nun auch bei § 754a ZPO berücksichtigt werden muss.
Allerdings hat das Bundesministerium der Justiz eine Länderumfrage zu einem Änderungsvorschlag durchgeführt, nach dem die Regelungen in § 829a und § 754a ZPO nachhaltig geändert werden sollen. Die vom BGH gesehenen Einschränkungen sollen entfallen und zugleich soll der Anwendungsbereich der Vorschriften auf alle Vollstreckungstitel erweitert werden. Es bleibt die Hoffnung, dass ein entsprechender Referentenentwurf in Kürze vorgelegt wird und die Rechtsprechung des BGH, die orientiert am Wortlaut nachvollziehbar ist, aber die Praxis der Zwangsvollstreckung ohne sachliche Rechtfertigung hindert, überholt.
Digitalisierung der Zwangsvollstreckung vorantreiben
Man kann dabei nur hoffen, dass über die Vorschläge der Länderumfrage hinaus die Neuregelung nicht auf die Vollstreckung von und in Geldforderungen beschränkt bleibt, sondern alle Vollstreckungsarten umfasst. Auch wäre der Vorschlag zu berücksichtigen, § 753a ZPO dahin zu erweitern, dass zumindest Rechtsanwälte und registrierte Inkassodienstleister, d.h. die regulierten und kontrollierten Rechtsdienstleister, das Vorliegen weiterer Unterlagen versichern dürfen und Streitfragen zugleich im Sinne einfacher Verfahren aufgelöst werden (Verfahrensvollmacht, Geldempfangsvollmacht, Urkunden nach §§ 726, 727 ZPO, Unterlagen zur Beischreibung, Zustellnachweise etc.).
Der Schuldner ist hier nicht schutzlos gestellt, da er gegen die Vollstreckung im Rechtsmittelweg vorgehen könnte. Hat das Vollstreckungsorgan trotz Versicherung begründete (AG Kassel, 28.7.2017 – 630 M 546/17, FoVo 2017, 189) Zweifel an der Existenz der Unterlagen, kann es diese anfordern und prüfen. Dabei wird die Erfahrung seit der Einführung von § 829a ZPO und § 754a ZPO zu berücksichtigen sein, die eben keine Abweichungen zwischen den elektronisch eingereichten Unterlagen und den Originalen gezeigt haben.
FoVo, S. 144 - 148