1. Der Gläubiger hat einen Anspruch gegen den Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO auf Herausgabe der Kontoauszüge.
2. Der Schuldner darf vor der Herausgabe alle diejenigen Buchungen schwärzen, die keinen Bezug zur Feststellung der gepfändeten Ansprüche haben.
LG Verden, 12.10.2009 – 6 T 151/09
I. Der Fall
Verpflichtung zur Herausgabe der Kontoauszüge gestrichen
Das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – hat aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB), mit dem die Ansprüche aus der Bankverbindung des Schuldners gepfändet wurden, die Passage herausgestrichen, nach der der Schuldner verpflichtet ist, dem Gläubiger nach § 836 Abs. 3 ZPO auch die Kontoauszüge herauszugeben. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Gläubigers.
II. Die Entscheidung
§ 836 Abs. 3 ZPO bestimmt die Pflichten des Schuldners
Gem. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die gemäß § 836 Abs. 3 ZPO herauszugebenden Urkunden sind auf Antrag des Gläubigers in der Regel bereits in den PfÜB aufzunehmen (vgl. BGH InVo 2006, 484 = NJW-RR 2006, 1576). Die Aufnahme einer Herausgabeanordnung im PfÜB ist nicht davon abhängig, dass der Gläubiger darlegt, dass eine Herausgabe der über die Forderung vorhandenen Urkunden im Einzelfall ein besonderes Rechtsschutzinteresse hat.
Schuldner wehrt sich nicht gegen die Pflicht zur Herausgabe
Ob Kontoauszüge tatsächlich in jedem Fall zu den vom Schuldner herauszugebenden Urkunden gehören, kann vorliegend dahinstehen, da der Schuldner sich gegen diese Anordnung des Vollstreckungsgerichtes nicht wendet. So dem Gläubiger die Kontoauszüge herauszugeben sind, hat er jedoch jedenfalls nicht uneingeschränkt und ohne Weiteres einen Anspruch auf sämtliche in den Kontoauszügen enthaltenen Informationen. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht nach § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO dient den Interessen des Gläubigers, die zur Durchsetzung der Forderungen notwendigen Informationen zu erhalten. Allerdings soll der Gläubiger keine Informationen erhalten, die keine Beziehung zu dem gepfändeten Hauptanspruch auf Auszahlung des positiven Saldos haben.
LG: Das muss der Gläubiger nicht wissen
Für den Zahlungsanspruch des Gläubigers ist es nicht notwendig zu erfahren, welche Lastschriften aufgrund der vorrangigen Pfändung zurückgegeben wurden bzw. woher eine Gutschrift kam und welcher Anspruch dieser zugrunde lag. Dadurch könnte der Gläubiger sich umfassend über die gesamte Geschäftstätigkeit des Schuldners informieren. Er erführe von weiteren Pfändungsgrundlagen und könnte darauf Folgepfändungen gegen andere Drittschuldner ausbringen. Damit würde die Pfändung der Ansprüche aus dem Girokonto auf eine unzulässige, von der Zivilprozessordnung nicht vorgesehene Ausforschungspfändung hinauslaufen.
LG bezieht sich auf den BGH
Die Kammer verkennt nicht, dass die zitierte Entscheidung des BGH sich auf solche Fälle bezieht, in denen der Gläubiger die Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf Erteilung von Kontoauszügen gegenüber der Drittschuldnerin beantragt. Allerdings ist der Gedanke, dass eine Ausforschungspfändung zu vermeiden ist, auch auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Wenn, wie hier, der Gläubiger sich gegen die eingeschränkte Überlassung von Kontoauszügen wendet, so ist davon auszugehen, dass es ihm auch nicht nur um die Auskunft über den Kontostand geht, sondern vielmehr darum, Informationen über Zahlungsströme auf dem Schuldnerkonto zu erhalten, um damit eventuell weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Aus dem zitierten Urteil des BGH wird deutlich, dass der Gläubiger grundsätzlich keinen Anspruch auf eine solche umfassende Information hat. Will er darüber hinausgehende Informationen erhalten, mag der Gläubiger ein eidesstattliches Versicherungsverfahren betreiben.
LG sieht Alternative im Offenbarungsverfahren
Nach alledem hat das Vollstreckungsgericht zu Recht die Verpflichtung des Schuldners auf Herausgabe der Kontoauszüge dergestalt eingeschränkt, dass er berechtigt ist, die Angaben zu den einzelnen Buchungen gegebenenfalls zu streichen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Praxistipp
Will man den Leitsätzen des LG Verden noch folgen, so zeigt sich doch die Subsumtion als angreifbar. Sie überzeugt weder formal noch in der Sache.
BGH sagt anderes
Das Landgericht verkennt die Entscheidung des BGH vom 8.11.2005 (NJW 2006, 217). Hier wurde ausgesprochen, dass der Gläubiger gegen den Drittschuldner keinen Anspruch auf Herausgabe der Kontoauszüge hat. Der BGH verweist den Gläubiger aber explizit auf § 836 Abs. 3 ZPO, d.h. den Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner auf Herausgabe der Kontoauszüge. Genau hier besteht auch keine „Gefahr“ einer Ausforschung, weil der Schuldner ohnehin auch nach § 807 ZPO zur umfassenden Auskunft über sein Vermögen verpflichtet ist. Der Schuldner ist insoweit al...