Privilegierte Pfändung als einzige Realisierungschance
Die Frage, ob dem Schuldner die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO zugute kommen, entscheidet häufig auch, ob die Forderung überhaupt realisiert werden kann. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Pfändungsfreigrenzen in den Grundbeträgen zum 1.7.2010 auch auf die Kontopfändung übertragen wurden (§ 850k Abs. 1, 2 und 4 ZPO) und die Pfändungsfreigrenzen zum 1.7.2011 um rund 4,44 % angestiegen sind.
Prüfung, ob eine vorsätzlich unerlaubte Handlung vorliegt, ist lohnend
Die vom BGH selbst herangezogenen weiteren Beispiele des Aufrechnungsverbotes nach § 393 BGB sowie – in der Praxis immer wichtiger – der Ausschluss der Restschuldbefreiung für die konkrete Forderung nach § 302 InsO zeigen, dass es für den Gläubiger lohnend ist, den gesamten Sachverhalt immer auch auf die Frage zu überprüfen, ob eine vorsätzlich unerlaubte Handlung vorliegt. Ohne jeden Zweifel wird dabei das Informationsmanagement auf eine besondere Probe gestellt. Als wichtigste Form kommt der Eingehungsbetrug nach § 263 StGB in Betracht, etwa wenn der Schuldner erst kurz vor dem Vertragsschluss die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat oder sich aus der eidesstattlichen Versicherung bzw. seinen Darlegungen in einem Insolvenzverfahren ergibt, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits so hohe Schulden hatte, dass er nie alle Forderungen wird begleichen können. Die Leistungserschleichung nach § 265a StGB ist ein weiteres Beispiel. Über § 823 Abs. 2 BGB ist dieser Sachverhalt dann ins Zivilrecht zu transformieren.
Prozessuales Vorgehen darauf einstellen
In prozessualer Hinsicht muss beachtet werden, dass die Feststellung, dass die Zahlungsforderung (auch) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammt, nicht im Mahnverfahren tituliert werden kann. Andererseits muss sie aber dem Vollstreckungsgericht bzw. dem Insolvenzgericht nachgewiesen werden, ohne dass in diesem Verfahren eine materielle Prüfung stattfindet. Deshalb ist von zentraler Bedeutung, den Anspruch im ordentlichen Erkenntnisverfahren mit einem Zahlungs- und einem Feststellungsantrag zu verfolgen.
Hinweis
Dies wirft regelmäßig keine besonderen Probleme auf, da der im Mahnverfahren verfolgte Anspruch meist auf einem einfachen Sachverhalt beruht, der ohne größeren Mehraufwand in einer Klageschrift begründet werden kann. Die Praxis zeigt, dass dort, wo im Mahnverfahren kein Widerspruch bzw. Einspruch erhoben wird, im Erkenntnisverfahren ein Versäumnisurteil ergeht. Nach der besprochenen Entscheidung des BGH öffnet dies den Weg zur privilegierten Pfändung.
Notwendiger Unterhalt muss individuell bestimmt werden
Kann die vorsätzlich unerlaubte Handlung in dieser Form nachgewiesen werden, muss das Vollstreckungsgericht nach § 850f Abs. 2 ZPO sein Ermessen ausüben und Feststellungen dazu treffen, wie viel dem Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten zu belassen ist.