In Dortmund begann das Problem …
Das Amtsgericht Dortmund hat entschieden, dass bei einem gewerblichen Großvermieter die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht notwendig sei und die damit verbundenen Kosten deshalb auch nicht als Rechtsverfolgungskosten erstattungsfähig sein könnten (AG Dortmund v. 6.1.2015 – 425 C 6720/14, zfm 2015, 39 = WuM 2015, 78; a.A. allerdings etwa AG Dortmund v. 7.7.2015 – 405 C 4663/15). Das Amtsgericht – in Person des Vorsitzenden des Deutschen Mietgerichtstages e.V. – argumentiert dabei, dass die gleiche Argumentation greife wie bei den Entscheidungen des BGH zur Notwendigkeit der Einschaltung eines Anwaltes für einfache Kündigungen (BGH NJW 2011, 296; BGH AnwBl 2012, 560). Der Geschädigte könne nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Jedenfalls habe die Gläubigerin gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verstoßen. Die anwaltlichen Mahnungen seien standardisiert. Das könne die Gläubigerin, die zuvor zwei eigene Mahnungen versende, auch alleine machen. Das Mahnwesen gehörte zu den im Mietrecht nicht umlagefähigen Verwaltungskosten. Der Aufwand für die Forderungseinziehung gehöre auch bei Schuldnern, die sich in Verzug befinden, nach dem allgemeinem Schuldrecht nicht zum ersatzfähigen Schaden.
… ohne in Essen-Steele zu enden
Das Amtsgericht Essen-Steele (AG Essen-Steele v. 18.12.2014 – 12 C 141/14) fügt dem noch die argumentative Variante bei, dass nach zwei kaufmännischen Mahnungen dem Rechtsanwalt kein vorgerichtlicher Vertretungsauftrag mehr erteilt werden dürfe, sondern unmittelbar Klageauftrag zu erteilen sei.
Mannigfaltige andere Rechtsprechung
Auch wenn die Entscheidungen keinen nachhaltigen Rückhalt in der Rechtsprechung gefunden und andere Gerichte in identischen Situationen anders entschieden haben (AG Charlottenburg v. 28.4.2015 – 233 C 560/14; AG Weißenburg i. Bay. v. 22.4.2015 – 1 C 66/15 und 8.4.2015 – 2 C 49/15; AG Gelsenkirchen-Buer v. 4.4.2014 – 5 C 67/14; AG Recklinghausen v. 7.4.2014 – 52 C 46/14; AG Bochum v. 27.1.2015 – 68 C 491/14 und 6.5.2015 – 70 C 22/15; AG Laufen v. 1.9.2014 – 2 C 567/14), stellt sich die Frage, ob die anwaltliche vorgerichtliche Interessenvertretung für Großmandanten in der Forderungsbeitreibung in Frage zu stellen ist. Die konkreten Fälle betreffen allesamt das Mietrecht mit einem Großvermieter als Gläubiger. Sie müssen allerdings aufgrund der Begründung insofern verallgemeinert werden, als sie in Frage stellen, ob "Großunternehmen" die vorgerichtliche Forderungsbeitreibung stets selbst übernehmen müssen und keinen Rechtsdienstleister mehr einsetzen dürfen. Die nachfolgenden Ausführungen zeigen, dass die ins Feld geführten Argumente nicht mit der geltenden Rechtslage übereinstimmen bzw. nicht überzeugen sowie in rechtstatsächlicher Hinsicht Erkenntnisdefizite bestehen.
Erkenntnis- und Überzeugungsdefizite
Die Untersuchung der Argumente des AG Dortmund und des AG Essen-Steele zeigt, dass sie im Ergebnis nicht tragen, insbesondere anerkannte Rechtsgrundsätze unberücksichtigt bleiben, die juristische Arbeitsmethode nicht hinreichend angewandt wurde und die gesetzgeberischen Grundentscheidungen nicht nachhaltig respektiert wurden. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die beiden Amtsgerichte ihren missglückten Versuch, Inkassokosten als generell nicht erstattungsfähig zu qualifizieren, auf anderem Feld weiterführen, nachdem sie (auch dort) mit ihren Argumenten nicht durchgedrungen sind.
Erkenntnisse aus dem allgemeinen Schuldrecht
Soweit die Auffassung vertreten wird, der Aufwand für die Forderungseinziehung gehöre bei Schuldnern, die sich in Verzug befinden, nach dem allgemeinen Schuldrecht nicht zum ersatzfähigen Schaden, kann dies nicht auf eine Entscheidung des BGH vom 9.3.1976 (BGHZ 66, 112 = NJW 1976, 1256) gestützt werden.
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen, es sei denn der Schuldner hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten, § 286 Abs. 1 BGB. Liegt die Pflichtverletzung in einer verzögerten Leistung, kann der Gläubiger nach § 286 Abs. 2 BGB nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 286 BGB, d.h. des Verzuges, Schadensersatz verlangen. Bei vertraglichen Ansprüchen befindet sich der Schuldner auf eine Mahnung nach Fälligkeit der Leistung in Verzug, sofern die Mahnung nicht ausnahmsweise entbehrlich und die Forderung noch durchsetzbar ist. Die Forderung darf also weder verjährt sein, noch darf insoweit Restschuldbefreiung erteilt worden sein. Die Geldzahlung ist in der Regel auch nicht unmöglich. Nach der gesetzlichen Wertentscheidung muss der Schuldner in diesem Fall alle weiteren Kosten der Forderungsbeitreibung tragen. Da durch die Beauftragung des Rechtsdienstleisters ein erheblicher Schaden entsteht, kann allerdings gefragt werden, ob den Gläubiger weitere Obliegenheiten treffen, bevor eine Abgabe mit der Folge...