Defizite im elektronischen Rechtsverkehr

Die Transformation des elektronischen Rechtsverkehrs dauert an und zeigt die Schwächen des Gesamtsystems auf:

Es stehen nicht für alle Beteiligten der Zwangsvollstreckung sichere Übermittlungswege zur Verfügung. Zwar sind die theoretischen Grundlagen des eBO gelegt. Sie haben in der Praxis aber noch keine Entsprechung mit Angeboten gefunden.

Noch immer muss der Vollstreckungstitel nebst den weiteren Urkunden im Original vorgelegt werden. Der Gesetzgeber hat sich (bisher) nicht entscheiden können, konsequent auf den elektronischen Rechtsverkehr zu setzen.

Entweder wäre § 829a ZPO auf alle Vollstreckungstitel und ohne eine Begrenzung zur Höhe der Vollstreckungsforderung zu erstrecken. Diese könnte durch das Erfordernis einer strafbewehrten Versicherung begleitet werden, dass die vollstreckbare Ausfertigung vorliegt und die Forderung in der geltend gemachten Höhe noch besteht.
Oder der Gesetzgeber müsste sich entscheiden, ein Titelregister einzuführen, auf das die Vollstreckungsbeteiligten zurückgreifen können. Die Einmeldung könnte durch das titelschaffende Gericht erfolgen. Da die Vollstreckungstitel ohnehin elektronisch hergestellt werden, sollte die Grundlage dafür existieren. Schon die Herstellung einer Papierfassung eines elektronisch geschaffenen Titels ist ein unnötiger Medienbruch. Gläubiger können verpflichtet werden, Zahlungen einzumelden, während dem Schuldner die Möglichkeit gegeben werden könnte, eine solche Einmeldung durch entsprechende Nachweise durchzusetzen. Die Befürchtung, ein solches Register unterliege der Gefahr von Manipulation, ist angesichts der bereits vorhandenen Register ohne tatsächliche Grundlage.

Der Gesetzgeber muss handeln

Der Gesetzgeber ist gefordert, das 8. Buch der Zwangsvollstreckung – aufbauend auf dem elektronischen gerichtlichen Mahnverfahren – nun endlich konsequent in den elektronischen Rechtsverkehr zu überführen und Medienbrüche zu vermeiden. Dabei ist es gerechtfertigt, das durch die bisherige Praxis zu § 754a und § 829a ZPO gewachsene Vertrauen in die Gläubiger und ihre Rechtsdienstleister weiter zu stärken und die Verpflichtung, Unterlagen vorzulegen, durch Versicherungen zu ersetzen. Anlassbezogene Prüfungsmöglichkeiten für die Vollstreckungsorgane, die Rechtsmittel des Schuldners, eine effektive Berufsaufsicht, das Wettbewerbsrecht und letztlich auch die strafrechtliche Verfolgung bieten auf verschiedenen Feldern die Möglichkeiten, Missbräuchen entgegenzuwirken. Was es braucht ist Mut, größer zu denken als nur in den bisherigen formellen Wegen. Wenn der Gesetzgeber diesen Weg nicht bald beschreitet, wird die Privatisierung der Forderungseinziehung schneller fortschreiten.

VRiOLG Frank-Michael Goebel

FoVo 7/2022, S. 133 - 138

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