Leitsatz
Im Verfahren nach § 733 ZPO kann dem Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden, wenn er ein Rechtsschutzbedürfnis an der nochmaligen vollstreckbaren Ausfertigung hat und dem Schuldner keinerlei Nachteile durch die Erteilung drohen. Dies gilt auch dann, wenn der Titel dem Schuldner durch den Gläubiger oder Gerichtsvollzieher bewusst ausgehändigt worden ist, etwa infolge einer falschen Berechnung der Gläubigerforderung.
LG Hagen, 17.9.2012 – 3 T 400/11
1 I. Die Entscheidung
Gläubiger hat Darlegungs- und Beweislast für Restforderung
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist zulässig und in der Sache begründet. In dem Verfahren nach § 733 ZPO kann dem Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden, wenn er ein Rechtsschutzbedürfnis an der nochmaligen vollstreckbaren Ausfertigung hat und dem Schuldner keinerlei Nachteile durch die Erteilung drohen. Dies gilt auch dann, wenn der Titel dem Schuldner durch den Gläubiger oder Gerichtsvollzieher bewusst ausgehändigt worden ist, etwa infolge einer falschen Berechnung der Gläubigerforderung (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 733 Rn 5). In diesem Fall muss aber der Gläubiger nachweisen, dass noch eine Restforderung offen ist (vgl. Zöller/Stöber, § 733 Rn 12; LG Hechinger Rpfleger 1994, 151; LG Nürnberg Jur Büro 1982, 137; LG Dortmund Rpfleger 1994, 308).
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtsvollzieher die Titel an den Schuldner herausgegeben, nachdem dieser den in der dem Vollstreckungsauftrag beigefügten Forderungsaufstellung genannten Gesamtbetrag gezahlt hatte. Die Antragsteller haben durch die vorgelegten Berechnungen und Unterlagen bewiesen, dass trotz der Zahlungen des Schuldners noch eine offene Restforderung von 29,11 EUR als Hauptforderung aus dem Teilvollstreckungsbescheid vom 20.3.2007 besteht und in Höhe von 352,33 EUR als Zinsen aus den Hauptforderungen aus dem Vollstreckungsbescheid vom 27.7.2007. Die dargelegten Berechnungen zeigen in überzeugender Weise, dass alle Zahlungen des Schuldners so berücksichtigt worden sind, dass es für den Schuldner günstig ist. Die Zahlungen sind im überwiegenden Maß auf die Hauptforderung verrechnet worden, obwohl sie nach dem Gesetz und auch dem Teilzahlungsvergleich vom 14.6.2007 erst auf Kosten, dann auf Zinsen und dann erst auf die Hauptforderung hätten verrechnet werden können, was für den Schuldner deutlich ungünstiger gewesen wäre.
Schuldner kann Gegenbeweis führen
Der Schuldner hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine Tatsachen vorgetragen, die die Beweiskraft der vorgelegten Urkunden erschüttern könnten. Eine – zutreffende – Forderungsaufstellung kann auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung noch nachgereicht werden. Die Darlegungen der Kontoentwicklung weisen, auch wenn nur ein Forderungskonto für beide Vollstreckungsbescheide geführt wird, hinreichend klar den offenen Restbetrag der einzelnen Titel aus.
2 II. Der Praxistipp
Genügt nicht auch eine Glaubhaftmachung?
Im Ansatz ist der Entscheidung des LG Hagen zuzustimmen. Eine fehlerhafte Forderungsaufstellung oder eine nicht hinreichend deutlich gemachte bewusste Teilvollstreckung kann keine Erfüllung des materiellen Anspruchs herbeiführen. Gleiches gilt für die unzutreffende Herausgabe des Vollstreckungstitels. Soweit das LG einen Beweis einer noch bestehenden Restforderung vom Gläubiger verlangt, ist dies allerdings zu weitgehend. Im Verfahren nach § 733 ZPO muss die Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO genügen. Gegen die so erteilte weitere vollstreckbare Ausfertigung kann der Schuldner dann im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO vorgehen. Hier hat der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Vollstreckungsforderung. Dabei ist der herausgegebene Titel ein Indiz, aber kein Vollbeweis. Diese Beweislastverteilung darf nicht über das Verfahren nach § 733 ZPO umgekehrt werden.
Kostenfolge der fehlerhaften Titelherausgabe
Soweit die fehlerhafte Herausgabe des Titels der Sphäre des Gläubigers entspringt, muss daran gedacht werden, dass eine Erstattung der Kosten durch den Schuldner nach § 788 ZPO ausscheiden kann. Die Kosten sind prinzipiell nicht notwendig, wenn der Gläubiger die Herausgabe des Vollstreckungstitels an den Schuldner hätte verhindern können.
Hinweis
Um dem die Grundlage zu entziehen, sollte der Gläubiger den Schuldner zur Herausgabe des Titels nach § 812 BGB unter Darlegung und Nachweis der noch verbleibenden Restforderung auffordern. Gibt der Schuldner darauf den Titel nicht heraus, war der Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung wieder notwendig. Anderes würde nur gelten, wenn der Gerichtsvollzieher nicht nur die erfolgte Zahlung auf dem Titel vermerkt hat, sondern weitergehend auch dessen vollständige Erledigung. Das sollte aber regelmäßig nicht der Fall sein.
Situation durch klare Antragstellung vermeiden
Der Gläubiger muss vermeiden, überhaupt in eine solche Situation zu kommen. Deshalb sollte die Forderungsaufstellung vor der Beauftragung der Vollstreckung mit der notwendigen Sorgfalt geprüft w...