Leitsatz
Bei der Pfändung von Ansprüchen aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung kann sich die Pfändung auch auf das Kündigungsrecht, dessen nachträgliche Übertragung sowie auf den Anspruch auf Übernahme des Versicherungsvertrags erstrecken.
LG Köln, 24.9.2012 – 34 T 168/12
1 I. Die Entscheidung
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig und begründet.
Gericht prüft Pfändungsumfang
Der Antrag der Gläubigerin war dahingehend zu verstehen, dass die Ansprüche aus der im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossenen Direktversicherung nur in der geschilderten Sonderkonstellation einer Insolvenz des Arbeitgebers gemeint sind. In dieser Sonderkonstellation ist es zumindest denkbar, dass künftige Ansprüche gegen den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer der Direktversicherung bestehen. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 2.12.2009 (NJW 2010, 544) ausgeführt, dass der Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz seines Arbeitgebers entweder einen Anspruch gegen den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer hat, zu seinen Gunsten das Kündigungsrecht auszuüben, dem beachtenswerte Belange des Arbeitgebers/Versicherungsnehmers nicht mehr entgegenstehen können, oder darauf, ihm dieses Kündigungsrecht nachträglich zu übertragen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beinhalte auch das Recht zur Übernahme des Versicherungsvertrages.
Direktversicherung als künftiger Anspruch pfändbar
Diese Ansprüche sind auch als künftige Ansprüche pfändbar; es ist eine hinreichende rechtliche Grundlage vorhanden, die ihre Bestimmung der Art und der Person des Drittschuldners nach ermöglicht (Stöber, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 829 Rn 2). Darauf, ob die Forderungen überhaupt entstehen werden, kommt es nicht an (ebd.). Im Übrigen – so hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt – kommen Ansprüche gegen den Arbeitgeber nicht in Betracht.
2 II. Der Praxistipp
Auszahlungsansprüche sind frei pfändbar
Die in einer betrieblichen Altersvorsorge verbrieften Vermögenswerte des Schuldners sind grundsätzlich unpfändbar. Das LG Köln umschreibt hiervon eine Ausnahme und widerspricht dabei einer weit verbreiteten Praxis der Vollstreckungsgerichte (hierzu Schmidt, JurBüro 2011, 284 und 2013, 103). Pfändbar sind allerdings – in den Grenzen des § 850c ZPO – die Auszahlungsansprüche aus einer betrieblichen Altersvorsorge, mithin auch einer Direktversicherung (BGH NJW-RR 2011, 283). Dies muss in den Fokus gerückt werden, bevor über die Ausnahmen diskutiert wird. In Kombination mit den anderen Elementen einer Altersversorgung (gesetzliche Rente, Riesterrente) und nach einer entsprechenden Pfändung aller Ansprüche und deren Zusammenrechnung nach § 850e ZPO kann sich dann ein pfändbarer Betrag ergeben.
Kündigungsrecht und Bezugsrecht können auseinanderfallen
Das Recht, einen Lebensversicherungsvertrag in Form einer Direktversicherung in der betrieblichen Altersversorgung jederzeit zu kündigen, verbleibt nach Auffassung des BGH (NJW 2010, 544) grundsätzlich selbst dann beim Versicherungsnehmer (= Arbeitgeber), wenn dem Bezugsberechtigten (= Arbeitnehmer) ein unwiderrufliches Bezugsrecht einschließlich des Rechts auf den Rückkaufswerts eingeräumt worden ist. Das Kündigungsrecht fällt dem bezugsberechtigten Versicherten in diesen Fällen auch dann nicht automatisch zu, wenn der Versicherungsnehmer in Vermögensverfall gerät und die Lebensversicherung beitragsfrei stellt. Dem Bezugsberechtigten stehen jedoch unter Umständen Ansprüche auf Ausübung oder Übertragung des Kündigungsrechts gegen den Versicherungsnehmer zu.
Anspruch auf Übernahme des Versicherungsvertrages pfänden
Diese Ansprüche – so der BGH – können von einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss umfasst sein, in dem Ansprüche des Bezugsberechtigten gegen den Versicherungsnehmer auf Übernahme des Versicherungsvertrages gepfändet werden.
Auch gegen den gelöschten Drittschuldner!
Dem steht weder die Insolvenz noch die Löschung der Versicherungsnehmerin im Handelsregister entgegen. Die Ansprüche auf Ausübung oder auf Übertragung des Kündigungsrechts sind auch dann gegen die juristische Person durchsetzbar, wenn sie mittlerweile im Handelsregister gelöscht ist. Es ist zwischen der Löschung einer GmbH und der Beendigung einer GmbH zu unterscheiden. Auch nach Löschung der GmbH kann eine Nachtragsliquidation durchgeführt werden. Sie ist zum einen dann geboten, wenn sich herausstellt, dass noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist. Sie ist aber ebenso angezeigt, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind (§ 273 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprechend; BGH NJW 1989, 220.; Schulze-Osterloh/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 60 Rn 7, 65 f.). Ansprüche gegen die GmbH lassen sich also selbst dann verwirklichen, wenn diese kein sonstiges Vermögen hat und deshalb im Handelsregister gelöscht worden ist (BGH NJW 1989, 220; § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG).
FoVo 8/2013, S. 159 - 160