Leitsatz
1. Übermäßige Anforderungen an die Bestimmtheit eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dürfen nicht gestellt werden, weil der Gläubiger die Verhältnisse des Schuldners in der Regel nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind daher unschädlich, sofern eine sachgerechte Auslegung ergibt, welche bestimmte Forderung gemeint ist.
2. Für einen Pfändungsbeschluss nach § 720a ZPO gilt insoweit nichts anderes als für einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach § 829 ZPO oder eine Vorpfändung nach § 845 ZPO.
BGH, Beschl. v. 27.4.2017 – IX ZR 192/15
1 I. Der Fall
Forderung aus gekündigter Anleihe
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter der Schuldnerin. Der Kläger zu 1 hatte in den Jahren 2005 und 2006 Anleihen der Schuldnerin mit einem Nennwert von 750.000 EUR erworben. Im Umfang von 70.000 EUR übertrug er sie auf den Kläger zu 2. Die Kläger erklärten 2010 wegen der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin die Kündigung aus wichtigem Grund. Sie klagten erstinstanzlich erfolgreich auf Rückzahlung der Anleihen nebst Zinsen. Während des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Das OLG stellte die Hauptforderung der Kläger für den Ausfall zur Tabelle fest. Auf eine Zwischenfeststellungsklage des Beklag ten hin stellte es fest, dass die 2010 erklärte Kündigung unwirksam sei. Die Revision der Kläger blieb weitgehend erfolglos (BGH WM 2016, 1293).
Streit um Sicherheiten aus der vorläufigen Vollstreckung
Nunmehr streiten die Parteien um eine Sicherheit, welche die Kläger während des Berufungsverfahrens des Vorprozesses erlangt haben. 2012 erwirkten die Kläger im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO zwei Pfändungsbeschlüsse hinsichtlich der Ansprüche der Schuldnerin gegen deren Kreditinstitut.
Der Pfändungsbeschluss vom 18.5.2012 lautete auszugsweise:
"Auf Grund dieser Ansprüche … werden die nachstehend aufgeführten angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen die … S. … so lange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch vollständig besichert ist. Die Pfändung erstreckt sich auf Ansprüche1. auf Auszahlung an sich und Überweisung an Dritte von Beträgen, die zugunsten der Schuldnerin beim Drittschuldner eingehen;2. auf Annahme von Geld für die Schuldnerin, jeglichen Guthabens auf Konten der Schuldnerin;3. über den gegenwärtigen und jeden künftigen Aktivsaldo (Überschuss), welcher sich aufgrund der Saldoziehung zum Zustellungszeitpunkt dieses Beschlusses an den Drittschuldner und zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rechnungsperiode ergibt;4. auf Rückzahlung jeglichen, auch des künftigen Guthabens, auf Prämienauszahlung samt Zinsen und Zinseszinsen und auf Auszahlung der Zinsen aus Sparverträgen;5. … 6. … 7. auf Auszahlung der bereitgestellten, noch nicht abgerufenen Darlehensvaluta aus bereits abgeschlossenen Kreditgeschäften, soweit die Schuldnerin diese in Anspruch nimmt;8. auf Kündigung der zwischen der Schuldnerin und dem Drittschuldner geschlossenen Verträge, namentlich Darlehens-, Sicherungsübereignungs-, Hinterlegungs- und Spareinlagen jeglicher Art … "
Nach der Zustellung des Pfändungsbeschlusses wurde ein Tagesgeldkonto über 875.000 EUR im Vereinbarungswege an die Kläger gegen Aufhebung der Pfändungsbeschlüsse verpfändet. Der Insolvenzverwalter erklärte die Anfechtung der aufgrund der Pfändungen erlangten Sicherheiten. Die Kläger haben beantragt, ihr Recht auf abgesonderte Befriedigung festzustellen. Das LG hat ein Absonderungsrecht des Klägers zu 2 in Höhe von 80.560,84 EUR festgestellt und die Klage des Klägers zu 1 abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG auch die Klage des Klägers zu 2 abgewiesen, wogegen der Kläger mit der Revision streitet. Es liege kein anfechtungsfreier Sicherungstausch vor, weil die zugrunde liegende Pfändung zu unbestimmt gewesen sei.
2 II. Die Entscheidung
Gläubiger ist erfolgreich
Die Revision führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Diese Ausführungen des OLG halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die gepfändete Forderung war hinreichend bestimmt, wie die vom Senat selbstständig vorzunehmende Auslegung des Pfändungsbeschlusses ergibt (vgl. BGH WM 1988, 950, 951; BGH WM 2012, 1786 Rn 5).
Anforderungen an die Bestimmtheit des PfÜB
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss der Pfändungsbeschluss die gepfändete Forderung oder die gepfändeten Forderungen und ihren rechtlichen Grund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet wird, muss wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden. Übermäßige Anforderungen dürfen nicht gestellt werden, weil der Gläubiger die Verhältnisse des Schuldners in der Regel nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind daher unschädlich, sofern eine sachgerechte Auslegung ergibt, welche bestimmte Forderung gemeint ist. Die Auslegung ist nach objektiven Gesichtspunkten im Wesentlichen nach dem Inhalt des Pfändungsbeschlusses vorzunehme...