BGH gibt keine überzeugende Rechtfertigung
Die Entscheidung des BGH mag rechtsdogmatisch richtig begründet sein. Von den praktischen Bedürfnissen des Vollstreckungsrechtes ist sie aber ebenso weit entfernt wie von einer in der Sache überzeugenden Begründung für die Rechtfertigung einer isolierten Aufenthaltsermittlung. Der BGH verkennt, dass das Gesetz an einer Vielzahl von Stellen die gütliche Einigung einer streitigen Entscheidung und Vollstreckung vorzieht (vgl. nur §§ 118 Abs. 1, 278 Abs. 1, 802b ZPO).
Außergerichtliche gütliche Einigung als legitimes Ziel
Die erste Voraussetzung einer gütlichen Einigung ist aber, dass der Aufenthalt des Schuldners bekannt ist, damit eine Kommunikation möglich wird. Insoweit ist die – vom BGH verlangte – gleichzeitige Vollstreckung im Wege der Vermögensauskunft ein viel stärkerer Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Schuldners als die isolierte Aufenthaltsermittlung mit dem Ziel, anschließend außergerichtlich mit dem Schuldner in Kontakt zu treten, um eine irgendwie geartete Zahlungsvereinbarung zu treffen.
Hinweis
Dass mit der isolierten Aufenthaltsermittlung auch ein Auftrag zur gütlichen Einigung nach § 802b ZPO erteilt werden könnte, greift dabei zu kurz. Die gütliche Einigung über den GV lässt nämlich nur eine reine Zahlungsvereinbarung zu, nicht aber auch Sicherungsvereinbarungen wie etwa eine Abtretung von Lohn und Gehalt oder des Bankguthabens. Wegen des Prioritätsprinzips nach § 804 Abs. 3 ZPO ist der Gläubiger aber gehalten, sich solche Sicherheiten einräumen zu lassen.
Teure Form der Aufenthaltsermittlung
Die Entscheidung des BGH bringt es mit sich, dass § 755 ZPO – wie die Zwangsvollstreckung bei einem unbekannten Schuldner insgesamt – weiter entwertet wird und der Gläubiger andere Wege suchen muss. Die Aufenthaltsermittlung verursacht folgende Kosten:
Beispiel
Auskunftsgebühr für die EMA nach Nr. 441 KVGvKostG |
5,00 EUR |
Auskunftsgebühr für eine Auskunft nach § 755 Abs. 2 nach Nr. 440 KVGvKostG |
13.00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG |
3,60 EUR |
Auskunftsgebühr EMA nach Nr. 708 (in voller Höhe – abhängig von der Kommune) |
5,00–15,00 EUR |
Auskunftsgebühr der Stelle nach § 755 Abs. 2 ZPO nach Nr. 708 KVGvKostG |
10,20 EUR |
Gesamt |
36,80–46,80 EUR |
Hinzu kommen nunmehr die Kosten für eine Vollstreckungsmaßnahme. Im konkreten Fall verlangte der GV den Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft. Es kommen deshalb folgende maximale weitere Kosten hinzu:
Zustellung der Ladung an den Schuldner nach Nr. 100 KVGvKostG |
10,00 EUR |
Abnahme der Vermögensauskunft nach Nr. 260 KVGvKostG |
33,00 EUR |
Wegegeld für die Zustellung der Ladung nach Nr. 711 KVGvKostG |
3,25 EUR–16,25 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG |
8,60 EUR |
Gesamt |
54,85–67,85 EUR |
Es wird dabei unterstellt, dass der GV die Ladung persönlich zustellt. Ansonsten – bei der Zustellung der Ladung per Post – fallen statt der Gebühren und Auslagen nach Nr. 100, 711 nur Zustellkosten von 7,11 EUR sowie statt der Auslagenpauschale von 8,60 EUR nur eine solche von 6,60 EUR an. Die Gesamtkosten reduzieren sich dann auf 46,71 EUR.
Insgesamt verursacht die kombinierte Beauftragung also mindestens Kosten von 83,51 EUR und höchstens von 114,65 EUR – vorausgesetzt, der Gläubiger bzw. sein Rechtsdienstleister begehren nur eine der Auskünfte nach § 755 Abs. 2 ZPO. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 GvKostG ist nämlich für jedes Auskunftsersuchen nach § 755 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1–3 ZPO die Gebühr nach Nrn. 440, 441 gesondert zu erheben.
Günstigere und ertragreichere Alternativen
Angesichts der notwendigen Kombination der Aufenthaltsermittlung mit einem Vollstreckungsauftrag sowie der dabei anfallenden Kosten ist die Aufenthaltsermittlung gerade bei kleinen Forderungen auf diese Weise nicht wirtschaftlich darstellbar. Denn zunächst einmal trägt der Gläubiger die Kostenlast und kann nur hoffen, dass er seinen Erstattungsanspruch nach § 788 ZPO später realisieren kann. Vor diesem Hintergrund ist es meist kostengünstiger, einen seriösen Außendienst mit Inkassoerlaubnis mit der Aufenthaltsermittlung zu beauftragen (vgl. etwa iadb-online.de). Unter Einschluss einer Selbstauskunft und möglicherweise einer gütlichen Einigung liegen die Preise hier deutlich niedriger. Auch lassen sich Modelle einer erfolgsorientierten Vergütung finden.
FoVo 8/2017, S. 164 - 167