Die gütliche Einigung erfasst die materiell-rechtliche Erledigung des Rechtsverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner, während die gütliche Erledigung auf einen Ausschnitt, nämlich die Erledigung des erteilten Vollstreckungsauftrages ohne Zwang gerichtet ist. Insoweit ist die gütliche Erledigung oder deren Versuch ein Teilaspekt der gütlichen Einigung. Dass eine gütliche Einigung nicht gelingt, besagt also zunächst nicht, dass nicht zumindest eine gütliche Erledigung oder deren Versuch vorliegt.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen
Die gütliche Erledigung nach § 802b ZPO ist nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 ZPO stets beauftragt. Allerdings gilt dies nach S. 1 nur "aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags …". Es bleibt also bei der Dispositionsbefugnis des Gläubigers. Er bestimmt Art, Beginn und Ende der Zwangsvollstreckung. Dies geschieht im Rahmen der Beauftragung nur im umgekehrten Sinne. Während er den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Regelbefugnisse des § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 5 ZPO explizit beauftragen muss, muss er die gütliche Einigung ausdrücklich abbedingen. Hierzu dient das Modul F im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher nach der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung
Hinweis
Kommt es zu keinem Auftrag zur gütlichen Erledigung, weil der Gläubiger diese ausgeschlossen hat, kommt es also gar nicht erst zur Anwendung von § 802b ZPO, sodass es auch an einer Grundlage für eine Gebühr nach Nrn. 207, 208 KV GvKostG fehlt. Das übersieht offenbar Mroß (DGVZ 2022, 178), wenn er aus § 802b ZPO eine gesetzliche Pflicht zur gütlichen Erledigung herleiten will.
§ 802b ZPO respektiert die gütliche Einigung
Auch aus § 802b ZPO ergibt sich kein anderer Blick auf die Dinge. Nach § 802b ZPO "soll" der GV nämlich nur auf eine gütliche Einigung hinwirken. "Soll" bedeutet aber mehr als "kann", aber auch weniger als "muss". Soll etwas getan werden, steht es unter dem Vorbehalt einer gewichtigen Ausnahme. Was für eine gewichtigere Ausnahme soll es geben als die Beschränkung des Auftrags durch den Gläubiger? Das wird auch deutlich, wenn er lediglich darauf "bedacht" sein soll. So wichtig wie die gütliche Einigung sowie die gütliche Erledigung für den Rechtsfrieden sind, so wichtig ist es auch, die Dispositionsmaxime des Zivilrechtes zu achten.
Noch deutlicher wird dies in § 802b Abs. 2 ZPO. Die dortigen Regelungen für eine gütliche Erledigung stehen unter dem Vorbehalt, dass der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen hat.
Warum wird gegen den Willen des Gläubigers agiert?
Bleibt die abschließende Frage, weshalb die Gerichtsvollzieher so bemüht sind, dem Gläubiger eine Leistung zu erbringen, die dieser ausdrücklich nicht begehrt. Im Sinne des Schuldners kann dies nicht geschehen, denn in der Mehrzahl der Fälle will auch er keine gütliche Erledigung. Außerdem hat der Schuldner jederzeit die Möglichkeit, der Vollstreckung die Grundlage zu entziehen, indem er die Forderung vollständig ausgleicht oder dem Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung anbietet. Es wird auch kaum einen Schuldner geben, dem dies nicht bewusst ist. Solange Gerichtsvollzieher nicht begründen können, warum sie gleichwohl diese Aufträge selbst im Streit mit dem Gläubiger generieren wollen, drängt sich der Verdacht auf, dass dies allein aus Einnahmegründen geschieht. Dies geht im ersten Schritt zulasten der Gläubiger, weil sie als Antragsschuldner vorleistungspflichtig sind, in zweiter Linie aber auch zulasten der Schuldner, die diese Kosten zusätzlich zu tragen haben (§ 788 ZPO). Erachtet der Gläubiger vor diesem Hintergrund die gütliche Erledigung für nicht erfolgversprechend und damit für nicht notwendig, sollte dem Rechnung getragen werden.
VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo, S. 166 - 169