Leitsatz
1. Eine gütliche Einigung ist gegeben, wenn die Parteien Einvernehmen über die Regelung der Vollstreckungsangelegenheit erzielen. Dies kann durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers (GV) mit Gewährung einer Zahlungsfrist oder einer Ratenzahlungsvereinbarung erfolgen.
2. Sofern der Gläubiger nicht nachgibt und auch keine Zahlungsfrist zubilligt, entsteht auch keine Gebühr für die gütliche Erledigung.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.4.2022 – 7 W 9/22
1 I. Die Entscheidung
Gläubiger verweigert Zustimmung zur gütlichen Erledigung
Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, § 66 Abs. 4 GKG infolge der Zulassung durch das Beschwerdegericht zulässige weitere Beschwerde, über die der Senat gemäß § 66 Abs. 6 S. 1 GKG entscheidet, ist nicht begründet. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Ansatz der Gebühr KV GVKostG Nr. 208 für den Versuch einer gütlichen Einigung nicht in Ansatz kommt, wenn der Gläubiger bei Erteilung des Auftrages im Formular (Modul F) angegeben hat, dass eine Zahlungsvereinbarung ausgeschlossen wird.
Dispositionshoheit liegt beim Gläubiger
Zwar soll der GV grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein, § 802b Abs. 1 ZPO, er ist aber nicht berechtigt, dem Schuldner eine Zahlungsfrist einzuräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen zu gestatten, sofern der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung ausgeschlossen hat (OLG Stuttgart DGVZ 2019, 66; OLG Düsseldorf JurBüro 2017, 606; OLG Dresden DGVZ 2019, 20). Der Gläubiger ist befugt, derartige Einschränkungen auszusprechen, da er den Auftrag erteilt und zur Kostentragung für die Einigung auch in dem Fall verpflichtet ist, in dem der Einigungsversuch scheitert.
GV hat nicht einmal den Versuch einer gütlichen Erledigung unternommen
Hier kommt hinzu, dass die hier vom Gerichtsvollzieher im Streitfall abgerechnete Tätigkeit keinen Versuch einer gütlichen Erledigung darstellt.
Eine gütliche Einigung ist gegeben, wenn die Parteien Einvernehmen erzielen über die Regelung der Vollstreckungsangelegenheit. § 802b Abs. 1 ZPO entspricht § 278 Abs. 1 ZPO (BT-Drucks 16/10069, S. 24), wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein soll. Eine gütliche Beilegung stellt eine einvernehmliche Bereinigung des Rechtsstreits dar (Zöller/Greger, ZPO § 278 Rn 1). Einvernehmlich kann die Vollstreckungsangelegenheit durch Vermittlung des GV nach § 802b Abs. 2 ZPO durch eine Zahlungsfrist oder durch eine Ratenzahlungsvereinbarung beendet werden. Zur Gewährung materiellrechtlicher Zugeständnisse – etwa die Erledigung der Forderung durch sofortige Teilzahlung – ist der GV ohnehin nur nach Rücksprache und mit Zustimmung des Gläubigers befugt. In jedem Fall handelt es sich aber sowohl bei den Vereinbarungen nach § 802b Abs. 2 ZPO als auch bei materiellen Regelungen um Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner, die vom GV vermittelt werden (vgl. § 754 Abs. 1 ZPO).
Hinweis auf Eintragung ins Schuldnerverzeichnis und die Abwendungsmöglichkeit genügt nicht
Hier hat der GV demgegenüber nach den vom LG getroffenen Feststellungen nach Abgabe der Vermögensauskunft den Schuldner darauf hingewiesen, dass die Eintragungsanordnung in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882d Abs. 1 S. 1, 3 ZPO erst nach Ablauf einer zweiwöchigen Widerspruchsfrist dem zentralen Vollstreckungsgericht übersandt wird, und den Hinweis erteilt, dass er bei einer Zahlung innerhalb dieser Frist verpflichtet ist, die Anordnung aufzuheben, § 882d Abs. 1 S. 5 ZPO. Damit ist zwar, wie die Beschwerde und der GV geltend machen, ein Anreiz für den Schuldner zur Zahlung erneut gesetzt, der für die Gläubiger den Vorteil der Befriedigung der Forderung bedeutet; eine Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner stellt dieser Hinweis indes nicht dar. Vielmehr erfüllt der Schuldner dann seine bestehende Verpflichtung zur Zahlung, um weitere Nachteile für sich selbst abzuwenden.
Der Gläubiger gibt nicht nach und billigt auch keine Zahlungsfrist zu: Die Länge der Frist, innerhalb derer eine Zahlung die Aufhebung der Eintragungsanordnung zur Folge hat, ergibt sich ebenso aus dem Gesetz wie die Aufhebung der Eintragungsanordnung bei Wegfall der Voraussetzungen für die Eintragung.
2 Der Praxistipp
Die gütliche Einigung erfasst die materiell-rechtliche Erledigung des Rechtsverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner, während die gütliche Erledigung auf einen Ausschnitt, nämlich die Erledigung des erteilten Vollstreckungsauftrages ohne Zwang gerichtet ist. Insoweit ist die gütliche Erledigung oder deren Versuch ein Teilaspekt der gütlichen Einigung. Dass eine gütliche Einigung nicht gelingt, besagt also zunächst nicht, dass nicht zumindest eine gütliche Erledigung oder deren Versuch vorliegt.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen
Die gütliche Erledigung nach § 802b ZPO ist nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. S. 2 ZPO stets beauftragt. Allerdings gilt dies nach S. 1 nur "aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags …". Es bleibt also bei der Dispositionsbefugnis...