Die Entscheidung des LAG zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, dass der Gläubiger bei der Zwangsvollstreckung "nachhakt". Die Praxis zeigt, dass der Gläubiger sich nicht auf die Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO verlassen darf, insbesondere dann nicht, wenn der Drittschuldner mitteilt, dass keine pfändbaren Ansprüche bestehen.
Der Gläubiger muss seine Informationsrechte vielmehr konsequent nutzen, insbesondere die Auskunfts- und Vorlagerechte gegenüber dem Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO:
Unterlagen im PfÜB nennen
In einem ersten Schritt muss der Gläubiger die Verpflichtungen nach § 836 Abs. 3 ZPO in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit aufnehmen. Hierzu gehört es, die herauszugebenden Unterlagen im PfÜB zu bezeichnen. Dass eine solche Aufnahme der herauszugebenden Urkunden im PfÜB möglich ist, hat der BGH ausdrücklich anerkannt (BGH v. 28.6.2006, VII ZB 142/05 = InVo 2006, 484 = NJW-RR 2006, 1576).
Muster: Zur Herausgabe in den PfÜB aufzunehmende Unterlagen
Der Schuldner wird gemäß § 836 Abs. 3 ZPO verpflichtet, dem Gläubiger die zur Durchsetzung der Forderung erforderlichen Auskünfte zu erteilen, sowie folgende Unterlagen herauszugeben:
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den Arbeitsvertrag zwischen ihm und dem Drittschuldner, |
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alle entgeltrelevanten Betriebsvereinbarungen oder sonstigen Vereinbarungen, |
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die laufenden Lohnabrechnung seit Zustellung der Pfändung, |
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die letzten drei Lohnabrechnungen vor der Zustellung der Pfändung. |
Auch Abrechnungen vor Pfändung herausverlangen
Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf gegenwärtiges und künftiges Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, hat der Schuldner in einem zweiten Schritt nach § 836 Abs. 3 ZPO nicht nur die laufenden Lohnabrechnungen herauszugeben, sondern regelmäßig auch die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (BGH v. 20.12.2006, VII ZB 58/06 = NJW 2007, 606). Nach der Pfändung ist der Schuldner verpflichtet, die im PfÜB genannten Unterlagen herauszugeben. Kommt er dem nicht freiwillig nach, kann der Gläubiger als dritten Schritt allein auf der Grundlage von § 836 Abs. 3 ZPO i.V.m. dem PfÜB die Herausgabevollstreckung nach § 883 ff. ZPO beantragen, d.h. den Gerichtsvollzieher beauftragen, die Unterlagen beim Schuldner zu suchen und dann an ihn, den Gläubiger, herauszugeben.
Diesen Auftrag zur Herausgabevollstreckung kann der Gläubiger mit einem Sachpfändungsauftrag nach §§ 753, 808 ZPO verbinden. Dieser gewinnt an Effektivität, weil der Gerichtsvollzieher die Wohnung des Schuldners zum Auffinden der Unterlagen durchsuchen muss.
Abrechnungen konsequent auswerten
Hat der Gläubiger die Abrechnungsunterlagen in Besitz, folgt der vierte und wichtigste Schritt. Der Gläubiger muss die Unterlagen konsequent auswerten. So können sich hier Hinweise auf eine unzutreffende Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens finden, vor allem aber auch Hinweise auf weitere Ansätze für die Zwangsvollstreckung.
So ist es in der Praxis vorgekommen, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens die falsche Spalte gewählt hat, d.h. eine unterhaltsberechtigte Person mehr berücksichtigt hat, als überhaupt vorhanden war, oder dass er den pfändbaren Betrag vom Auszahlungsbetrag und nicht vom Nettoeinkommen berechnet hat, was sich bei Abschlagszahlungen stark auswirkt.
Auch finden sich auf den Lohnabrechnungen regelmäßig Hinweise auf das Gehaltskonto (Kontopfändung) oder auf Kapitalanlageverträge (Lebensversicherungen, Bausparverträge), wenn die vermögenswirksamen Leistungen unmittelbar vom Arbeitgeber auf einen solchen Vertrag überwiesen werden.
Auch können sich aus der Lohnabrechnung Hinweise auf die Wahl einer dem Gläubiger nachteiligen Lohnsteuerklasse ergeben, was nach § 850h ZPO zugunsten des Gläubigers korrigiert werden kann (BGH v. 4.10.2005, VII ZB 26/05 = InVo 2006, 118 = NJW-RR 2006, 569).
Altersvorsorgeansprüche pfänden
Durchaus nachvollziehbar hat das LAG die Zahlungen in die Direktversicherung in der konkreten Situation – dies muss der Gläubiger also jeweils prüfen – als Gehaltsumwandlung angesehen, so dass die hier gezahlten Beträge zum Bruttoeinkommen zählen. Dies darf den Gläubiger aber nicht dazu verleiten, auf eine Pfändung der Auszahlungsansprüche aus der Direktversicherung zu verzichten. Diese sind unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO pfändbar. Dabei ergibt sich durch die Zusammenrechnung von gesetzlicher Rente, Direktversicherung und weiteren Produkten wie der Riesterrente nach § 850e ZPO meist ein pfändbarer Anspruch.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Schuldner durch diesen Pfändungsakt Sorge um seine soziale Absicherung im Alter haben muss, so dass sich hieraus das Bemühen erklärt, mit dem Gläubiger doch noch zu einer gütlichen Einigung in Form einer Ratenzahlungsvereinbarung zu kommen.
BGH lässt Pfändung der Altersvorsorge zu
Der Bundesgerichtshof hat schon früh, mit Beschluss vom 21.11.2002 (IX ZB 85/02...