Voraussetzungen für den Anfall der Geschäftsgebühr
Die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG entsteht gem. Vorbem. 2.3 Abs. 3 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Aus der systematischen Stellung im zweiten Teil des Vergütungsverzeichnisses ergibt sich, dass es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit handeln muss. Der Begriff "Betreiben des Geschäfts" ist weit auszulegen. Er umfasst unter anderem die erste auftragsgemäße Unterhaltung mit dem Auftraggeber, das anschließende Anlegen einer Handakte, den Entwurf eines Schreibens oder Schriftsatzes, seine Übersendung an den Auftraggeber zur Prüfung, die Durchsicht der Stellungnahme des Auftraggebers, die Reinschrift des Schriftsatzes, seine Unterzeichnung, seine Absendung und Einreichung sowie eine Akteneinsicht (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., VV 2300 Rn 12).
Fall: Geschäftsgebühr angefallen
Die Voraussetzungen sind hier gegeben. Ob daneben eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG in Ansatz gebracht werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Sie wird vorliegend nicht verlangt. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), einer negativen Feststellungsklage (vgl. BGH MDR 1985, 138; BGH WM 2009, 918), einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) oder einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder sonstigen Urteilsmissbrauchs (BGHZ 40, 130; BGHZ 50, 115; BGHZ 101, 380, 383 ff.; BGHZ 103, 44) muss der beauftragte Rechtsanwalt die materielle Rechtslage sowie die Beweislage in vollem Umfang durchdringen. Der Bearbeitungsaufwand unterscheidet sich dann nicht von demjenigen, den der Rechtsanwalt hätte aufbringen müssen, wenn er vor Einleitung eines streitigen Erkenntnisverfahrens mit der zunächst außergerichtlichen Bearbeitung des Falls betraut worden wäre. Gleicht sich der jeweilige Bearbeitungsaufwand, gibt es keine Rechtfertigung, die Geschäftsgebühr nur deshalb als nicht angefallen anzusehen, weil sie möglicherweise in Konkurrenz zu einer Gebühr aus Nr. 3309 VV RVG tritt.
Hinweis
Wenn der Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag zur Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO erhalten hat, hat er bei Einreichung dieser Klage Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 334; Hartmann, Kostengesetze, VV 3309, 3310 Rn 41; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn 2). Folglich kann er diese Gebühr auch bei Erfolg außergerichtlicher Verhandlungen vor Klageeinreichung geltend machen.
Keine Sondersituation vor der Vollstreckungsgegenklage
Hat der Rechtsanwalt, der einen Leistungsanspruch verfolgen (oder abwehren) soll, noch keinen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung (bzw. Verteidigung vor Gericht) erhalten, kann er erfolgreiche außergerichtliche Bemühungen gemäß Nr. 2300 VV RVG abrechnen. Es gibt keinen Grund, warum die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage gebührenrechtlich anders behandelt werden sollte. Wenn diese Tätigkeit bei unbedingtem Klageauftrag der Tätigkeit im Vorfeld einer Leistungsklage oder sonstigen Klage außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens gleich zu achten ist, kann sie bei noch nicht unbedingt erteiltem Klageauftrag nicht unterschiedlich zu vergüten sein.
Die Chance: Gläubigeranwalt steht sich nicht schlechter!
Eine gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende gebührenrechtliche Ungleichbehandlung der im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage tätigen Rechtsanwälte droht nicht. Zwar begründet der für den Vollstreckungsgläubiger tätige Rechtsanwalt durch die mit einer Vollstreckungsandrohung versehene Aufforderung zur Leistung zunächst nur einen Gebührenanspruch nach Nr. 3309 VV RVG. Wird sodann auf Seiten des Vollstreckungsschuldners ein Rechtsanwalt tätig, der gegen die titulierte Forderung mehr als nur vollstreckungsverfahrensrechtliche Einwände oder Vollstreckungsschutzanträge ankündigt, sondern die Berechtigung der Forderung in einer Weise bekämpft, die in eine Vollstreckungsabwehrklage, eine negative Feststellungsklage oder eine auf § 826 BGB gestützte Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder Titelmissbrauchs münden würde, muss der Rechtsanwalt des Vollstreckungsgläubigers diese Verteidigung prüfen und mit seinem Mandanten über das weitere Vorgehen beraten. Damit hat auch er die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verdient.
Kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht
Den Kläger trifft kein Mitverschulden an der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat ihren Standpunkt, der Kläger habe zunächst selbst die angeblich einfache Rechtslage prüfen und sich verteidigen können, durch ihr eigenes Verhalten widerlegt. Sie selbst sah Veranlassung, den Darlehensanspruch mit anwaltlicher Hilfe geltend zu machen. Deshalb verstößt ihr Mitverschuldenseinwand schließlich auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie verhält sich in rechtlich unzulässiger Weise widersprüchlich, indem sie ...