Zwei Rechtsverhältnisse sind zu unterscheiden
Bei der Frage, ob und welche Gebühren dem Anwalt zustehen, muss zwischen dem Entstehungsverhältnis einerseits und dem Erstattungsverhältnis andererseits unterschieden werden. Das Entstehungsverhältnis beschreibt den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Anwalt und dem Mandanten (§§ 675, 611 BGB). Hier gilt vorbehaltlich individueller Gebührenvereinbarungen das RVG. Im Erstattungsverhältnis stellt sich dagegen die Frage, ob der Mandant die dem Anwalt geschuldeten Gebühren von seinem Gegner zurückerhalten kann. Hier müssen die Voraussetzungen einer vertraglichen oder gesetzlichen Erstattungsvorschrift (§§ 280, 286 BGB, § 823 BGB; §§ 91 ff., 788 ZPO, 4 Abs. 4 RDGEG) vorliegen.
Hinweis
Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann sich etwa aus Vertrag, Verzug, positiver Vertragsverletzung, culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt ergeben (BGH NJW 2007, 1458; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., vor § 91 Rn 11). Es müssen aber stets die Voraussetzungen der materiell-rechtlichen Norm erfüllt sein. Vor allem bei der Geltendmachung von vertraglichen Ansprüchen war streitig, welche Anforderungen an einen Kostenerstattungsanspruch zu stellen sind. Hiermit hatte sich der BGH 2009 auseinanderzusetzen (BGH, 16.1.2009, V ZR 133/08). Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt danach ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt i.S.v. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB pflichtwidrig. Im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition auch als nicht plausibel ansehen durfte.
Pauschales Vorgehen ist nicht angezeigt
Dies bedeutet in der Konsequenz, dass der Schuldner nicht stets einen Kostenerstattungsanspruch hat, wenn sich im weiteren Verfahren herausstellt, dass eine ganz oder teilweise unberechtigte Forderung verfolgt wurde. Entscheidend ist im konkreten Einzelfall, dass die Voraussetzungen der Erstattungsnorm erfüllt sind. Nimmt der Gläubiger einen nachvollziehbaren rechtlichen Standpunkt ein, der etwa erst im Rechtsmittelverfahren verworfen wird, fehlt es an einem Verschulden als Voraussetzung aller materiellen Schadensersatzansprüche.
"Neue" Schwellengebühr
Noch einmal deutlich bestätigt hat der BGH die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung von Anwaltsgebühren, soweit dem Rechtsanwalt ein Bestimmungsrecht zukommt. Dies gilt insbesondere für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die in einem Rahmen von 0,5 bis 2,5 zu bestimmen ist. Dabei darf nach der Anmerkung zur Gebührenziffer eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit aufwändig oder schwierig war. Mit der jetzigen Entscheidung des BGH steht fest, dass das Gericht dies aber nur dann überprüfen darf, wenn der Rechtsanwalt mehr als eine 1,5-Geschäftsgebühr erhebt.
Auswirkungen auch auf Inkassounternehmen
Dies wirkt sich auch auf den zweiten Rechtsdienstleister, die Inkassounternehmen, aus. In gleicher Weise wird nämlich bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB als Vergleichsmaßstab für die Anerkennung von Inkassokosten zu verfahren sein. Macht das Inkassounternehmen für die außergerichtliche Forderungsbeitreibung keine über eine vergleichbare 1,5-Inkassogebühr hinausgehenden Kosten geltend, kann dies nicht beanstandet werden. Insbesondere die zentralen Mahngerichte werden dies bei ihren Plausibilitäskontrollen nun zu berücksichtigen haben.