Leitsatz
Der Gerichtsvollzieher hat grundsätzlich bei der Pfändung nicht zu prüfen, ob eine im Gewahrsam des Schuldners befindliche Sache auch in dessen Eigentum steht.
AG Reinbek, 12.12.2010 – 7 M 2135/10
1 I. Der Fall
Schuldnerin besitzt Pkw
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem VB. Die Schuldnerin hat die eidesstattliche Versicherung abgegeben und dort in dem Vermögensverzeichnis angegeben, in ihrem Besitz befinde sich ein VW Polo, Baujahr 2000, Kilometerstand 75.000 mit dem amtlichen Kennzeichen … , dessen Eigentümerin sie sei, auch der Kfz-Brief befinde sich bei ihr. In Ziffer 10b. des Vermögensverzeichnisses ist notiert, dass der Pkw freiwillig an die Eltern der Schuldnerin verpfändet oder zur Sicherurig übereignet sei, die ihn bezahlt hätten. Durch Schreiben vom 2.9.2010 stellte die Gläubigerin einen Sachpfändungsauftrag hinsichtlich des oben beschriebenen Pkw wegen der von ihr mit 1.182,12 EUR angegebenen Gesamtforderung zuzüglich Zinsen.
GV lehnt Vollstreckung in Pkw wegen Fremdeigentums ab
Auf Anforderung des Gerichtsvollziehers (GV) zahlte die Gläubigerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 500 EUR ein. Nachdem der GV die Schuldnerin zweimal nicht angetroffen hatte, kündigte er die Vollstreckung zum 15.10.2010 an. Im Vollstreckungsprotokoll ist aufgeführt, dass er sich nach versuchter Vollstreckung in sein Büro begeben habe. Der Pkw sei gemäß der beiliegenden Kopie sicherungsübereignet, deshalb habe er die Zwangsvollstreckung eingestellt. In der Sonderakte des GV befindet sich die Fotokopie eines mit "Darlehensvertrag zwischen … und …" bezeichneten Dokuments, wonach der Schuldnerin ein Darlehen in Höhe von 3.443,37 EUR am 7.6.2010 überwiesen werde und das Darlehen nur zum Ankauf eines Pkw genutzt werden dürfe. Ferner ist dort ausgeführt, dass bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens der Darlehnsgeber "… den Eigentumsvorbehalt über das gekaufte Auto" erhält. Datiert ist dieses Dokument auf den 20.5.2010.
Gläubiger will trotzdem vollstrecken, GV lehnt ab!
Nachdem die Gläubigerin mit Schreiben vom 28.10.2010 um die Durchführung des Vollstreckungsauftrages bat, teilte der GV ihr mit, dass es zwar nicht zu seinen Aufgaben gehöre, das Eigentum zu überprüfen, wohl aber habe er darauf zu achten, dass keine unnötigen Kosten produziert würden. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Erinnerung nach § 766 ZPO.
2 II. Die Entscheidung
Gläubiger darf Weisungen erteilen
Die Erinnerung ist gemäß § 766 Abs. 2 ZPO zulässig und auch begründet. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die Gläubigerin ist befugt, dem Gerichtsvollzieher eine Weisung hinsichtlich des im Gewahrsam der Schuldnerin befindlichen Pkw zu geben.
Unzulässige Eigentumsprüfung durch den GV
Soweit der Gerichtsvollzieher die Pfändung des Pkw aus Kostengründen mit der Begründung ablehnt, einige Tage später werde dann mit großer Wahrscheinlichkeit die Pfändung aufgehoben und es seien nur Kosten produziert worden, kommt diese Ablehnung einer Prüfung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse durch den GV gleich, zu der er nicht verpflichtet und auch nicht befugt ist. Nach § 808 Abs. 1 ZPO pfändet der GV die im Gewahrsam des Schuldners befindlichen körperlichen Sachen durch Inbesitznahme. Der GV prüft dabei grundsätzlich nur, ob sich die Sache im Gewahrsam des Schuldners befindet, nicht ob diese auch in seinem Eigentum oder im Eigentum eines Dritten steht. Der Gewahrsam des Schuldners an einer Sache begründet damit eine gesetzliche Vermutung, dass dieser Gegenstand auch dem Vermögen des Schuldners zuzurechnen ist. Der GV darf deshalb von einer Pfändung grundsätzlich nur absehen, wenn offensichtlich Dritteigentum vorliegt. Die Offensichtlichkeit des Dritteigentums muss sich dabei aus tatsächlichen Umständen ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn sich solches erst aus einem vom Schuldner vorgelegten Sicherungsvertrages ergibt, da dessen rechtliche Prüfung nicht zu den Aufgaben des GV zählt.
Freigabe ist Aufgabe des Gläubigers
Demgegenüber ist der Gläubiger selbst berechtigt und verpflichtet, nach einer eigenen Prüfung erkanntes Dritteigentum aufgrund seiner Dispositionsbefugnis freizugeben bzw. den GV zur Freigabe zu veranlassen. Dies alles ist auch dem GV bekannt, wie sich aus seinem Schreiben vom 29.10.2010 ergibt.
Keine Eigentumsprüfung durch die Hintertür
Soweit der GV die Pfändung dann aber mit der Begründung ablehnt, es würden nur unnötige Kosten produziert werden, da mit großer Wahrscheinlichkeit einige Tage später die Pfändung aufgehoben werden würde, so kommt diese Ablehnung in der Sache doch einer Überprüfung der Eigentumsverhältnisse an dem zu pfändenden Pkw durch den Gerichtsvollzieher gleich. Zwar ist es zutreffend, dass der Gerichtsvollzieher auch darauf zu achten hat, dass keine unverhältnismäßig hohen Kosten durch die Vollstreckung entstehen, wie es sich zum Beispiel aus § 131 Nr. 2 oder § 140 GVGA ergibt. Die Entscheidung darüber, ob der Gläubiger die gepfändete Sache tatsächlich freigibt, weil ihm Dritteigentum zu seiner Über...