Besonderheiten in der Immobiliarvollstreckung bei gleichzeitiger Insolvenz des Schuldners
I. Immobiliarvollstreckung trotz Insolvenzverfahren?
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Insolvenzgläubiger unzulässig. Forderungen können nur noch durch Beteiligung am Insolvenzverfahren durchgesetzt werden. Ausnahmsweise gewährt das Gesetz den Gläubigern von Grundpfandrechten ein Recht auf "abgesonderte Befriedigung" (§ 49 InsO). Für sie gilt das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO insoweit nicht, als sie wegen ihrer grundbuchmäßig gesicherten Ansprüche die Verwertung des als Pfandobjekt dienenden Grundstücks betreiben. Dies geschieht durch Immobiliarvollstreckung, also Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung, und zwar losgelöst vom parallel laufenden Insolvenzverfahren.
Besonderheiten an der Schnittstelle zur InsO
Dennoch sind beim Zusammentreffen von Immobiliarvollstreckung und Insolvenzverfahren einige Besonderheiten zu beachten. Zu nennen sind in erster Linie das Verfügungs- und Vollstreckungsverbot mit den Wirkungen der so genannten "Rückschlagsperre" sowie das Vorrecht der Erstattungsansprüche in der Rangklasse 1a. Des Weiteren hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die einstweilige Einstellung von Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zu beantragen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
II. Verfügungs- und Vollstreckungsverbot
Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, zu dem im Eröffnungsbeschluss genannten Zeitpunkt auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Beschlagnahme erstreckt sich auf das gesamte Schuldnervermögen zur Zeit der Verfahrenseröffnung und auf das Vermögen, welches der Schuldner während des laufenden Insolvenzverfahrens erwirbt (§ 35 InsO). Darüber hinaus sind nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen persönlicher Gläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht mehr gestattet (§ 89 Abs. 1 InsO). Alle titulierten Forderungen können nur noch beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Hier handelt das Gericht
Bei einem Verstoß gegen dieses Vollstreckungsverbot hat das Insolvenzgericht auf Erinnerung eines Beteiligten einzugreifen und die Vollstreckungshandlung für unzulässig zu erklären. Für das Zwangsversteigerungsverfahren gilt jedoch die spezielle Regelung des § 28 Abs. 2 ZVG, wonach in solchen Fällen das Versteigerungsgericht tätig werden muss. Wird also eine verbotswidrige Vollstreckungshandlung bekannt, hat das Vollstreckungsgericht die Immobiliarvollstreckung einstweilen einzustellen oder aufzuheben. Dabei ist bereits die Kenntnis des Versteigerungsgerichts von der Insolvenzeröffnung maßgeblich und nicht erst die Eintragung der Beschränkung oder des Verbots im Grundbuch.
In der Praxis kommt dies vor allem in Betracht, wenn für einen persönlichen Gläubiger ohne Grundpfandrecht die Zwangsversteigerung angeordnet wird und sich später herausstellt, dass zum Zeitpunkt der Anordnung bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet war.
Ein im Insolvenzeröffnungsverfahren angeordnetes Verfügungs- oder Vollstreckungsverbot hat keine Auswirkung auf die Immobiliarvollstreckung. Vor der eigentlichen Insolvenzeröffnung erstreckt sich das Verbot nicht auf unbewegliches Vermögen (§ 21 Abs. 2 Ziff. 3 InsO), so dass während des Eröffnungsverfahrens die Zwangsversteigerung ohne Einschränkung betrieben werden kann.
Frühes Vorgehen gegen den Insolvenzverwalter
Falls bereits im Eröffnungsverfahren ein so genannter "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde, geht damit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den Verwalter über. Die Zwangsvollstreckung hat dann gegen den vorläufigen Verwalter zu erfolgen. Dazu ist ein gegen den Verwalter gerichteter Vollstreckungstitel erforderlich. Zur Problematik der Vollstreckungsvoraussetzungen gegen Insolvenzverwalter und andere Sachwalter von Schuldnervermögen werden wir in einem besonderten Beitrag berichten.
III. Die Rückschlagsperre
Kritische Phase: 1 oder 3 Monate vor Antragstellung
Mit Hilfe der Rückschlagsperre wird das Vollstreckungsverbot auf einen Zeitraum vor dem Insolvenzantrag, nämlich die "kritische Phase", erweitert. Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung in Form eines Pfandrechts an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, so wird dieses Pfandrecht mit der Eröffnung des Verfahrens rückwirkend wieder unwirksam (§ 88 InsO). Im Verbraucherinsolvenzverfahren beträgt die Frist sogar drei Monate (§ 312 Abs. 1 InsO). Ein persönlicher Gläubiger, der die Beschlagnahme einer Immobilie außerhalb der Sperrfrist erwirkt hat, kann das Verfahren auch nach Insolvenzeröffnung fortsetzen, da er ein Recht auf abgesonderte Befriedigung genießt (§§ 49, 50 InsO) und insoweit einem dinglichen Gläubiger gleichgestellt ist. Ist aber für einen persönlichen Gläubiger die Beschlagn...