Die Corona-Sonderzahlung des Landes Niedersachsen ist nicht als Erschwerniszulage i.S.d. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen.
Pfändungsschutz in der Insolvenz ist identisch mit Pfändungsschutz in der Einzelvollstreckung
Nach § 287 Abs. 2 InsO in der hier gemäß Art. 103k Abs. 1 EGInsO maßgeblichen Fassung vom 15.7.2013 (BGBl I, S. 2379) hat der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten. Der Pfändungsschutz für die abgetretenen Forderungen bestimmt sich nach § 292 Abs. 1 S. 3, § 36 Abs. 1 S. 2 InsO. Danach gelten die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 S. 1 und 3 sowie § 906 Abs. 2 bis 4 ZPO entsprechend.
Alle Beschäftigten profitieren
Gemäß § 63a S. 1 NBesG wird allen Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfängern im Geltungsbereich des Gesetzes eine einmalige Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Covid-19-Pandemie im Jahr 2021 gewährt. Die Sonderzahlung erhält, wer am 29.11.2021 in einem Dienstverhältnis des Landes Niedersachsen stand und mindestens an einem Tag zwischen dem 1.1.2021 und dem 29.11.2021 einen Anspruch auf Bezüge hatte (§ 63a S. 3 NBesG). Die Höhe der Sonderzahlung beträgt für alle Besoldungsgruppen 1.300 EUR (§ 63a S. 2 Nr. 1 NBesG).
Sonderzahlung ist Arbeitseinkommen …
Bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG handelt es sich gemäß § 850 Abs. 2 Fall 1, Abs. 4 ZPO um Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 1 ZPO, das nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden kann. Nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind unter anderem Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.
… aber keine Erschwerniszulage
Entgegen der Ansicht des LG handelt es sich bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG jedoch nicht um eine Erschwerniszulage. Die darin festgelegten Voraussetzungen für die Sonderzahlung genügen nicht den Anforderungen, die an eine Erschwerniszulage i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO zu stellen sind.
Eine Erschwernis nach § 850a Nr. 3 ZPO setzt eine besondere Belastung bei der oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraus. Es muss sich also um eine tatsächlich gegebene Erschwernis handeln. Diese muss weder berufsspezifisch noch dauerhaft mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sein. Der Begriff der Erschwerniszulage spricht als solcher für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit an sich innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis. Es reicht vielmehr, wenn die Tätigkeit im Einzelfall nur vorübergehend mit Erschwernissen verbunden ist (vgl. BAG BAGE 160, 57 Rn 23; ZIP 2023, 205 Rn 21).
Liegt eine tatsächliche Erschwernis im Einzelfall vor?
In Anknüpfung daran hat das BAG (ZIP 2023, 205) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Corona-Prämie im Einzelfall als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO zu behandeln sein kann. Dies sei der Fall, wenn der Zweck der Leistung in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liege. Die für den Pflegebereich getroffene spezialgesetzliche Regelung des § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI schließe dabei die Anwendbarkeit des § 850a Nr. 3 ZPO auf Prämien, die der Arbeitgeber freiwillig an seine Beschäftigten zahle, nicht aus. Umgekehrt lasse sich aus dem Umstand, dass aufgrund der Corona-Krise erbrachte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei seien, kein Schluss auf ihre generelle Unpfändbarkeit ziehen. Zur Ermittlung des üblichen Rahmens i.S.d. § 850a Nr. 3 ZPO könne aber auf die in § 3 Nr. 11a EStG enthaltene Wertung zurückgegriffen werden (BAG, a.a.O. Rn 28).
Keine Erschwerniszulage bei abstrakt-genereller Regelung
Zu beurteilen ist im Streitfall die Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung, die einem ganzen Personenkreis aufgrund einer abstrakt-generellen Regelung gewährt worden ist. Insoweit ergeben sich aus § 850a Nr. 3 ZPO bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Regelung, wenn die Sonderzahlung die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage i.S.d. § 850a Nr. 3 ZPO erfüllen soll. Diese Voraussetzungen liegen im Fall von § 63a NBesG nach dem BGH nicht vor, was er aus unterschiedlichen Aspekten ableitet:
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Unerheblich bleibe, ob der Landesgesetzgeber die Behandlung der Corona-Sonderzahlung als Erschwerniszulage gesetzlich festgeschrieben habe. Der Bund habe mit § 850a Nr. 3 ZPO von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) erschöpfend Gebrauch gemacht. Allein hier liege die Definitionshoheit. |
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Sinn und Zweck des § 850a Nr. 3 ZPO ist die Besserstellung belastender Tätigkeiten. Dem Schuldner soll ein ökonomischer Anreiz zu ihrer Ausübung verbleiben. Allein die besondere Belastung rechtfertige ein Zurücktreten der berechtigten Befri... |