Leitsatz
1. Besteht aufgrund einer abstrakt-generellen Regelung ein Anspruch auf eine Sonderzahlung, stellt dies nur dann eine Erschwerniszulage dar, wenn der Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgegrenzt ist, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen.
2. Eine gesetzliche Regelung, die allen zumindest an einem Tag in einem bestimmten Zeitraum beschäftigten Besoldungsempfängern eines Landes einen Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung einräumt, stellt keine Erschwerniszulage dar.
BGH, Beschl. v. 13.7.2023 – IX ZB 24/22
1 Der Fall
Schuldner in der Wohlverhaltensphase
Auf den Eigenantrag des Schuldners eröffnete das Insolvenzgericht am 24.5.2018 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen. Der Schuldner beantragte die Restschuldbefreiung und trat seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen von dem Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren am 13.5.2019 auf und bestimmte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder.
Wem steht die Corona-Sonderzahlung zu?
Der Schuldner steht als beamteter Lehrer im Dienst des Landes Niedersachsen. Im März 2022 gewährte ihm sein Dienstherr eine einmalige Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 EUR.
Der Schuldner hat beantragt, den Pfändungsfreibetrag um die Corona-Sonderzahlung zu erhöhen. Das Insolvenzgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG den Pfändungsfreibetrag einmalig um 1.300 EUR erhöht. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Treuhänder die Wiederherstellung der Entscheidung des Insolvenzgerichts.
2 II. Aus der Entscheidung
Die Corona-Sonderzahlung des Landes Niedersachsen ist nicht als Erschwerniszulage i.S.d. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen.
Pfändungsschutz in der Insolvenz ist identisch mit Pfändungsschutz in der Einzelvollstreckung
Nach § 287 Abs. 2 InsO in der hier gemäß Art. 103k Abs. 1 EGInsO maßgeblichen Fassung vom 15.7.2013 (BGBl I, S. 2379) hat der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abzutreten. Der Pfändungsschutz für die abgetretenen Forderungen bestimmt sich nach § 292 Abs. 1 S. 3, § 36 Abs. 1 S. 2 InsO. Danach gelten die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 S. 1 und 3 sowie § 906 Abs. 2 bis 4 ZPO entsprechend.
Alle Beschäftigten profitieren
Gemäß § 63a S. 1 NBesG wird allen Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfängern im Geltungsbereich des Gesetzes eine einmalige Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Covid-19-Pandemie im Jahr 2021 gewährt. Die Sonderzahlung erhält, wer am 29.11.2021 in einem Dienstverhältnis des Landes Niedersachsen stand und mindestens an einem Tag zwischen dem 1.1.2021 und dem 29.11.2021 einen Anspruch auf Bezüge hatte (§ 63a S. 3 NBesG). Die Höhe der Sonderzahlung beträgt für alle Besoldungsgruppen 1.300 EUR (§ 63a S. 2 Nr. 1 NBesG).
Sonderzahlung ist Arbeitseinkommen …
Bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG handelt es sich gemäß § 850 Abs. 2 Fall 1, Abs. 4 ZPO um Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 1 ZPO, das nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden kann. Nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind unter anderem Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.
… aber keine Erschwerniszulage
Entgegen der Ansicht des LG handelt es sich bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG jedoch nicht um eine Erschwerniszulage. Die darin festgelegten Voraussetzungen für die Sonderzahlung genügen nicht den Anforderungen, die an eine Erschwerniszulage i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO zu stellen sind.
Eine Erschwernis nach § 850a Nr. 3 ZPO setzt eine besondere Belastung bei der oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraus. Es muss sich also um eine tatsächlich gegebene Erschwernis handeln. Diese muss weder berufsspezifisch noch dauerhaft mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sein. Der Begriff der Erschwerniszulage spricht als solcher für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit an sich innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis. Es reicht vielmehr, wenn die Tätigkeit im Einzelfall nur vorübergehend mit Erschwernissen verbunden ist (vgl. BAG BAGE 160, 57 Rn 23; ZIP 2023, 205 Rn 21).
Liegt eine tatsächliche Erschwernis im Einzelfall vor?
In Anknüpfung daran hat das BAG (ZIP 2023, 205) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Corona-Prämie im Einzelfall als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO zu behandeln sein kann. Dies sei der Fall, wenn der Zweck der Leistung in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis...