1 Die erste Wahrheit
Die (erste) Drittschuldnerauskunft als Obliegenheit
Auf die Drittschuldnerauskunft besteht kein Anspruch. Sie stellt vielmehr nur eine Obliegenheit des Drittschuldners dar.
Die Drittschuldnerauskunft setzt zunächst nach § 840 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZPO voraus, dass der Gläubiger diese vom Drittschuldner verlangt. Dies ist auch im neuen Formular nach der ZVFV so vorgesehen.
Gibt der Drittschuldner die Drittschuldnerauskunft nicht freiwillig ab, so kann diese nicht eingeklagt werden (BGH NJW-RR 2006, 1566; BGH NJW 1984, 1901; Riedel, in: BeckOK, 47. Ed. 1.12.2022, § 840 Rn 21; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 840 Rn 16). Allerdings macht sich der Drittschuldner schadensersatzpflichtig, wenn er die Drittschuldnerauskunft nicht abgibt. Die Haftung besteht auch bei einer nur unvollständigen, falschen oder nicht rechtzeitigen Auskunft (OLG Düsseldorf OLGR 1996, 35; LG Mönchengladbach JurBüro 2009, 273; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 840 Rn 12).
Praxistipp
Ist von der Drittschuldnerauskunft grundsätzlich ein Erkenntniswert zu erwarten, so sollte der Drittschuldner zu deren Abgabe aufgefordert werden. Erfolgt daraufhin keine Abgabe der Drittschuldnererklärung innerhalb der zweiwöchigen Frist des 840 ZPO, so sollte der Drittschuldner unmittelbar zur Zahlung eines realistischen Betrages aufgefordert werden. Reagiert er auch hierauf nicht, so gerät er in Verzug und hat aus diesem Grund wie nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO die weiteren Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen. Hierzu gehört auch eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Das weitere Vorgehen gegen den Drittschuldner ist nämlich nicht mit der Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG abgegolten.
2 Die zweite Wahrheit
Die wiederholte Drittschuldnerauskunft
Der Drittschuldner kann verpflichtet sein, eine Drittschuldnererklärung auch mehrfach abzugeben.
Gleicht der Schuldner die Forderung auf eine Pfändung nicht freiwillig oder durch die Vollstreckungsmaßnahme über die Leistung des Drittschuldners aus, bleibt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss meist über längere Zeit existent, ohne dass der Drittschuldner von sich aus dem Gläubiger über veränderte Verhältnisse Auskunft geben muss (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, § 840 Rn 6).
Dies schließt aber nicht aus, dass der Gläubiger gezielt nach solchen veränderten Umständen fragt. In der Literatur (Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl. 2020, Rn 635, 651a; Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 840 Rn 13) ist danach anerkannt, dass dem Gläubiger eine Wiederholung des Auskunftsverlangens jedenfalls dann zugestanden werden muss, wenn sich einzelne für das weitere Vorgehen des Gläubigers bedeutsame Umstände erst nach Abgabe der ursprünglichen Drittschuldnererklärung ändern. Das erneute Auskunftsverlangen ist daher insbesondere dann gerechtfertigt, wenn auch künftige Forderungen gepfändet wurden (Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 840 Rn 13).
Hinweis
In Betracht kommt hier insbesondere die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses oder die Aufgabe der Kontoverbindung, da sich hieraus Anhaltspunkte für eine vorzeitige erneute Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802d ZPO ergeben können.
Vor dem Hintergrund, dass die Abgabe der Drittschuldnerauskunft nicht einklagbar ist, existiert zu dieser Frage allerdings keine Rechtsprechung. Allerdings hat das OLG Hamm (DR 1939, 1920) einen Drittschuldner in dem Fall für schadensersatzpflichtig gehalten, dass die Drittschuldnerauskunft nachträglich falsch wurde, ohne dass der Drittschuldner den Gläubiger benachrichtigt hat (ebenso Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn 653).
Der Drittschuldner muss sich dann erneut erklären. Soll auf die verweigerte Erklärung ein Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO gestützt werden, wird aber auch zu verlangen sein, dass die Aufforderung zur erneuten Abgabe der Drittschuldnerauskunft durch den Gerichtsvollzieher zugestellt wird.
Praxistipp
Die Praxis zeigt sich hier sehr viel pragmatischer als die dogmatische Beantwortung der Rechtsfrage. Auf entsprechende Nachfragen antwortet die Mehrzahl der Drittschuldner in angemessener Zeit. Es obliegt dem Gläubiger, in regelmäßigen Abständen nach geänderten Umständen zu fragen. Zumindest der Zeitraum der Sperrfrist zur Abnahme einer Vermögensauskunft von zwei Jahren kann hierfür ein geeignetes Zeitfenster darstellen. Insoweit können entsprechende Nachfragen dort standardisiert werden, wo Änderungen nicht selten sind.
3 Die dritte Wahrheit
Auskunftspflicht bei der Vorpfändung
Der Drittschuldner hat grundsätzlich bei der Vorpfändung keine Auskunftspflicht nach § 840 ZPO.
Schon vor der Pfändung kann der Gläubiger nach § 845 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgrund eines vollstreckbaren Schuldtitels durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, dass die Pfändung bevorstehe, zustellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einzi...