BGH entscheidet gegen das Gebühreninteresse des RA
Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass es sich bei der Pfändung und Überweisung der Forderungen der Schuldnerin gegen die drei Drittschuldnerinnen aufgrund eines Vollstreckungsauftrags um eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne handelt und dass der Rechtsanwalt der Gläubigerin die Verfahrensgebühr daher nur einmal beanspruchen kann. Das ist nicht zu beanstanden.
Was ist eine Angelegenheit?
Grundsätzlich bilden die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG. Dabei stehen nur diejenigen Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (BGH NJW 2004, 1101; BGH NJW-RR 2005, 78). Der innere Zusammenhang ist vorliegend zu bejahen, da die Vollstreckung zwar in mehrere Vermögensgegenstände der Schuldnerin stattfindet, diese aber gleichartig sind, derselben Art des Vollstreckungszugriffs – der Forderungspfändung – unterliegen und die Gläubigerin aufgrund eines Vollstreckungsauftrags einmal in Höhe der titulierten Forderung einschließlich der Nebenforderungen Befriedigung erlangen will.
Eine Angelegenheit, aber drei Gegenstände
Das Beschwerdegericht verkennt auch nicht, dass eine Angelegenheit mehrere Gegenstände umfassen kann. Entgegen seiner Annahme liegen jedoch drei Gegenstände vor und nicht nur einer. Der Gesetzgeber hat den Begriff des gebührenrechtlichen Gegenstandes inhaltlich nicht näher bestimmt. Er bezeichnet das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Nach diesem Maßstab bezog sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts der Gläubigerin auf drei Rechtsverhältnisse. Er ließ drei Forderungen gegen drei verschiedene Drittschuldnerinnen pfänden und zur Einziehung überweisen. An jeder dieser Forderungen entstand ein Pfändungspfandrecht zugunsten der Gläubigerin. Jede Forderung haftet selbstständig und in voller Höhe für die Forderung der Gläubigerin. Die zwischen der Gläubigerin und den Drittschuldnerinnen entstandenen Rechtsbeziehungen sind unabhängig voneinander und können sich unterschiedlich entwickeln. Nichts anderes folgt für den Gegenstandsbegriff aus der Erwägung des Beschwerdegerichts, dass es um die Durchsetzung einer Forderung von 910,99 EUR geht, deren Höhe durch die Anzahl der Drittschuldner nicht beeinflusst wird, und dass die Gläubigerin nur einmal in dieser Höhe Befriedigung erlangen kann. Die Forderung war Anlass dafür, dass der Rechtsanwalt der Gläubigerin die Zwangsvollstreckung betreibt, sie war aber nicht Gegenstand seiner Tätigkeit. Diese bezog sich nicht auf die Forderung der Gläubigerin, sondern auf die Pfändung der Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerinnen.
Wert des Gegenstandes = Gesamtforderung
Das RVG bewertet den einzelnen Gegenstand in der Zwangsvollstreckung – soweit hier von Interesse – nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 RVG) oder, wenn ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden soll, der einen geringeren Wert hat, nach diesem geringeren Wert, § 25 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 RVG. Bisher ist weder von den Parteien noch von den Instanzgerichten die Frage erörtert worden, wie der Wert der im PfÜB bezeichneten Forderungen anzusetzen ist. Für die Entscheidung des Senats kommt es darauf nicht an. Geht man davon aus, dass die drei Gegenstände jeweils nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 RVG zu bewerten sind, so sind sie nicht nach § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen. Vielmehr ist dann lediglich der Wert eines Gegenstandes für die Anwaltsgebühr maßgeblich.
Enge Voraussetzungen für die Zusammenrechnung
Die Zusammenrechnung mehrerer Gegenstandswerte nach § 22 Abs. 1 RVG ist nicht zwingend. Vielmehr ergeben sich aufgrund der gesetzlichen Wertvorschriften Ausnahmen hiervon (vgl. die Beispiele bei AnwK-RVG/Schneider, 5. Aufl., § 22 Rn 8). Eine Zusammenrechnung kann auch ausgeschlossen sein, soweit die Gegenstände wirtschaftlich identisch sind (AnwK-RVG/Schneider, 5. Aufl., § 22 Rn 8). Die gepfändeten Forderungen sind wirtschaftlich identisch, wenn sie zumindest denselben Wert haben wie die zu vollstreckende Forderung. Denn dann sind sie für die Gläubigerin austauschbar und bedient jede von ihnen dasselbe wirtschaftliche Interesse. Die Gläubigerin kann durch die Vollstreckung den titulierten Anspruch insgesamt nur einmal befriedigen. Daher greift in diesem Fall hinsichtlich der mehreren Gegenstandswerte das Additionsverbot ein (zum Fall der wirtschaftlich vergleichbaren Gesamtschuldnerschaft BGH NJW-RR 2004, 638 m.w.N.). Das hat zur Folge, dass von den mehreren nicht zu addierenden Gegenstandswerten allein der höchste maßgeblich ist. Das ist wegen der gesetzlichen Re...