Keine materiell-rechtlichen Fragen in der ZwV
Die Entscheidung des Gerichtes ist konsequent und überzeugend begründet. Das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren dient nicht der Klärung materiell-rechtlicher Fragen. Dies ist den vollstreckungsrechtlichen Klageverfahren vorbehalten. Der Schuldner hätte diesem Dilemma entgehen können, wenn er die Leistung nicht an einen Bevollmächtigten, sondern unmittelbar an die Gläubigerin erbracht hätte. Gerade im konkreten Fall, in dem sich die Gläubigerin im Erkenntnisverfahren durch zwei verschiedene Anwaltskanzleien hat vertreten lassen, hätte sich dies angeboten. Letztlich wäre auch eine Hinterlegung im Sinne der §§ 372, 378 BGB in Betracht gekommen. Mit der Wahl solcher Varianten vermeidet der Schuldner, sich weiteren Vollstreckungsversuchen der Gläubigerin auszusetzen.
Hinweis
Anders als die Vorinstanz meinte, kann es auch nicht darauf ankommen, ob in anderen Verfahren eine Geldempfangsvollmacht erteilt wurde. Dieser Aspekt spielt auf eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht an, die aber weiter voraussetzt, dass der konkrete Schuldner von diesem Sachverhalt Kenntnis hatte. Dafür lässt sich dem Sachverhalt aber nichts entnehmen.
Rechtsanwalt darf aufrechnen
Die Frage der Aufrechnung anwaltlicher Honorarforderungen mit dem Auszahlungsanspruch für Fremdgelder muss in der Praxis nicht selten beantwortet werden. Ist nichts anderes vereinbart, ist der Rechtsanwalt an der Aufrechnung nicht gehindert, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Aufrechnung vorliegen, was etwa bei Unterhaltsleistungen an § 394 BGB scheitern kann. Einzig § 4 Abs. 3 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) sieht vor, dass eigene Forderungen nicht mit Geldern verrechnet werden dürfen, die zweckgebunden zur Auszahlung an andere als den Mandanten bestimmt sind. Hierbei handelt es sich vor allem um Unterhaltszahlungen oder Mietzinszahlungen an Dritte. Unzulässig ist es auch, Gelder, die er für die Einzahlung der Gerichtskosten erhalten hat, mit offenen Honorarforderungen zu verrechnen (BGH NJW 1989, 1148).
Gläubigerin: Aufrechnungsverbot vereinbaren
Die Gläubigerin hätte der Aufrechnung dadurch entgehen können, dass sie mit dem Rechtsanwalt im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages ein Aufrechnungsverbot vereinbart, jedenfalls insoweit, wie die Aufrechnungsforderungen nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.
FoVo 10/2013, S. 190 - 193