Leitsatz
Eine (Auflassungs-)Vormerkung ist im Zwangsversteigerungsverfahren wie ein Recht der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG zu behandeln.
Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, sind gegenüber einer Auflassungsvormerkung stets vorrangig. Diese ist nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen und erlischt mit dem Zuschlag; erwirbt der Vormerkungsberechtigte nach der Beschlagnahme das Eigentum, ist das Verfahren fortzusetzen und nicht gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 ZVG einzustellen.
BGH, 9.5.2014 – V ZB 123/13
1 Die Entscheidung/Der Praxistipp
Vollstreckungshindernisse
Wird dem Vollstreckungsgericht ein aus dem Grundbuch ersichtliches Recht bekannt, welches der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht, so hat es nach § 28 Abs. 1 ZVG das Verfahren entweder sofort aufzuheben oder unter Bestimmung einer Frist, binnen welcher der Gläubiger die Hebung des Hindernisses nachzuweisen hat, einstweilen einzustellen. Im letzteren Fall ist das Verfahren nach dem Ablauf der Frist aufzuheben, wenn nicht inzwischen der Nachweis erbracht ist.
Die Auflassungsvormerkung gehört nicht hierzu
Hierzu stellt der BGH nun fest, dass die Auflassungsvormerkung als solche kein der Zwangsversteigerung entgegenstehendes Recht darstellt, und bezieht sich insoweit auf seine frühere Rechtsprechung (BGH WM 1966, 1250; BGH NJW 1996, 3147 jeweils m.w.N.).
Hier keine Aufnahme in das geringste Gebot
Das Vollstreckungsgericht hat die eingetragene Auflassungsvormerkung zu Recht nicht in das geringste Gebot aufgenommen. Im Ausgangspunkt ist eine Auflassungsvormerkung wie ein eingetragenes Recht zu behandeln (§ 9 Nr. 1, § 48 ZVG). In das geringste Gebot ist sie aufzunehmen, wenn sie dem Anspruch des bestrangig betreibenden Gläubigers vorgeht (§ 44 Abs. 1 ZVG); dies gilt auch dann, wenn sie einen bedingten Anspruch sichert. Fällt die Auflassungsvormerkung in das geringste Gebot, bleibt sie bei dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung bestehen (§ 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG).
Die Rechte des Vormerkungsberechtigten
Weil der Eigentumserwerb des Erstehers dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam ist (§ 883 Abs. 2 BGB), kann dieser den gesicherten Anspruch auf Übertragung des Eigentums trotz des erfolgten Zuschlags gegenüber dem Ersteher durchsetzen. Dagegen ist die Vormerkung nicht in das geringste Gebot aufzunehmen, wenn sie dem Recht des (bestrangig betreibenden) Gläubigers im Rang nachgeht. Der Vormerkungsberechtigte muss den Eigentumserwerb des Erstehers gegen sich gelten lassen, weil die Vormerkung mangels Aufnahme in das geringste Gebot mit dem Zuschlag erlischt (§§ 91 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG). An die Stelle des zuvor durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs tritt der (nachrangige) Anspruch auf Wertersatz aus dem Versteigerungserlös (§ 92 Abs. 1 ZVG).
BGH entscheidet Streitfrage zum Vorrang
Ob eine vor der Beschlagnahme eingetragene Auflassungsvormerkung dem Recht der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne von § 44 Abs. 1 ZVG vorgeht, wenn diese die Zwangsversteigerung aus Ansprüchen betreibt, die der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG zuzuordnen sind, ist umstritten.
▪ |
Nach überwiegender Ansicht gehen die bevorrechtigten Hausgeldansprüche der Auflassungsvormerkung vor. Teils wird dies vornehmlich aus deren vermeintlich dinglichem Charakter hergeleitet, andere sehen Ansprüche der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG unabhängig von ihrer Rechtsnatur als vorrangig an; die Auflassungsvormerkung müsse wie jedes andere aus dem Grundbuch ersichtliche Recht in das Rangklassensystem des § 10 ZVG eingeordnet werden und falle in die (nachrangige) Rangklasse 4. |
▪ |
Nach der Gegenauffassung bietet eine Auflassungsvormerkung Schutz vor einer Zwangsversteigerung, die aus Rechten der Rangklasse 2 betrieben wird. Zur Begründung wird teilweise darauf verwiesen, dass die bevorrechtigten Hausgeldansprüche keine dingliche Wirkung hätten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft stehe im Verhältnis zu dem Vormerkungsberechtigten gewöhnlichen persönlichen Gläubigern gleich. Vereinzelt wird auch die Einordnung der Auflassungsvormerkung in die Rangklasse 4 bestritten, weil die Vormerkung ebenso wie das Eigentum selbst außerhalb des Rangklassensystems des § 10 Abs. 1 ZVG stehe; ihre Schutzwirkung bestimme sich ausschließlich nach § 883 Abs. 2 BGB. |
BGH: Die Ansprüche der WEG gehen vor
Der BGH entscheidet die Frage mit der zuerst genannten Auffassung dahingehend, dass Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Zwangsversteigerung aus der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG betreibt, stets Vorrang gegenüber einer Auflassungsvormerkung zukommt; diese ist auch dann nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – bereits vor dem Entstehen der bevorrechtigten Hausgeldansprüche in das Grundbuch eingetragen worden ist. Allerdings begründet er das Ergebnis abweichend.
Auflassungsvormerkung ist Rangklasse 4 zuzuordnen
Aus der Einordnung der Auflassungsvormerkung in die Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG ergibt ...