Leitsatz
1. Das angebliche Bestehen von Untermietverhältnissen über eine zu räumende Ladenfläche, zu denen der Hauptmieter im Räumungsrechtsstreit keine näheren Angaben gemacht hat, reicht nicht zur Gewährung von Vollstreckungsschutz gegen die Räumung nach § 765a ZPO.
2. Aus einem gegen den Hauptmieter erstrittenen Räumungstitel kann grundsätzlich nur gegen diesen die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Etwas anderes kann aus Billigkeitsgründen jedoch dann gelten, wenn ein (angeblicher) Untermietvertrag verheimlicht und ohne Billigung des Vermieters geschlossen worden ist, der Mieter seit über einem Jahr keinen Mietzins mehr zahlt und der Schuldner im Räumungsprozess auf die vollstreckungsrechtlich bedeutsame Position der vorgeblichen Untermieter nicht hingewiesen hat. Eine solche Verheimlichung kann nur das Ziel gehabt haben, die spätere Vollstreckung zu vereiteln, was sich als missbräuchliches Verhalten darstellt, das nicht schutzwürdig ist.
LG Hannover, Beschl. v. 12.11.2014 – 8 T 46/14
1 I. Der Fall
Räumungsurteil und Vollstreckungsauftrag mit Schwierigkeiten
Die Schuldnerin wurde zur Räumung einer Ladenfläche verurteilt. Die Gläubigerin betreibt die Räumungsvollstreckung. Die Schuldnerin legte dem Gerichtsvollzieher (GV) bei mehreren von diesem angesetzten Räumungsterminen insgesamt drei Untermietverträge vor, worauf der GV der Gläubigerin mitteilte, die Räumung einstellen zu wollen. Hiergegen richtete sich eine Erinnerung der Gläubigerin, der der GV durch Bestimmung eines neuen Räumungstermins abhalf.
Vollstreckungsschutzantrag
Einen folgenden Vollstreckungsschutzantrag der Schuldnerin nach § 765a ZPO sowie eine Erinnerung gegen das Vorgehen des GV wies das AG zurück. Ein Mitgewahrsam Dritter sei nicht festgestellt, die Frist des § 765a ZPO nicht eingehalten und eine besondere Härte für die Schuldnerin nicht zu ersehen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde.
2 II. Die Entscheidung
Frist als erstes Hindernis
Zutreffend weist das AG bezüglich des Vollstreckungsschutzantrages darauf hin, dass die Schuldnerin bereits die Frist für den Antrag auf Räumungsschutz nach § 765a Abs. 3 ZPO nicht eingehalten hat. Ihr wäre es auch möglich gewesen, den – mit dem Bestehen von drei Untermietverhältnissen begründeten – Räumungsschutzantrag zu einem früheren Zeitpunkt zu stellen. Die Nichteinhaltung der Frist kann zwar geheilt werden, wenn die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Das ist vorliegend aber nach dem eigenen Vorbringen der Schuldnerin nicht der Fall.
Keine Härte, die gegen die guten Sitten verstößt
Die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kommt aber auch nur dann in Betracht, wenn die betreffende Zwangsvollstreckungsmaßnahme eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei ist eine enge Auslegung der Vorschrift geboten. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur in besonders gelagerten Fällen, und zwar nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde (BGH NJW 2005, 1859). Die Anwendung des § 765a ZPO kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die Zwangsvollstreckung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers nach den besonderen Umständen des Einzelfalles eine sittenwidrige Härte für den Schuldner bewirkt. Schuldnerschutz kann daher nur bei einem krassen Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen gewährt werden. Die für die Beurteilung des Falles wesentlichen Umstände müssen eindeutig sein und so stark zugunsten des Schuldners sprechen, dass für Zweifel kein Raum bleibt. Dazu war nichts vorgetragen. Das angebliche Bestehen von Untermietverhältnissen, zu denen die Schuldnerin in dem Räumungsrechtsstreit keinerlei Angaben gemacht hat, reicht hierfür nicht aus.
Kein Erfolg der Erinnerung trotz § 750 ZPO
Auch die Erinnerung ist unbegründet. Zwar kann aus einem gegen den Hauptmieter erstrittenen Räumungstitel grundsätzlich nur gegen diesen die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Etwas anderes kann aus Billigkeitsgründen jedoch dann gelten, wenn, wie hier, der (angebliche) Untermietvertrag heimlich und ohne Billigung des Vermieters geschlossen worden ist, der Mieter seit über einem Jahr keinen Mietzins mehr zahlt und die Schuldnerin im Räumungsprozess auf die vollstreckungsrechtlich bedeutsame Position der vorgeblichen Untermieter nicht hingewiesen hat. Diese Verheimlichung kann nur das Ziel gehabt haben, die spätere Vollstreckung zu vereiteln, was sich als missbräuchliches Verhalten darstellt, das nicht schutzwürdig ist. Hinzu kommt, dass den Angaben des GV zufolge keine konkreten Anhaltspunkte für Mitbesitz bzw. Gewahrsam an dem zu räumenden Objekt feststellbar sind. Die Vorlage allein einer eidesstattlichen Versicherung der vorgeblichen Untermieterin, welche noch dazu angibt, ihren Geschäftssitz an einer anderen Adresse zu haben, vermag dies nicht zu entkräften.
3 Der Praxistipp
Schnelles Handeln wichtig
Zahlt der Mieter seine Miete nicht,...