Leitsatz
Der Vollstreckungsgläubiger kann im Rahmen eines Vollstreckungsauftrags nicht auf die Zuleitung des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten.
LG Schwerin, 12.4.2016 – 5 T 93/16
1 I. Der Fall
Zuleitung des Vermögensverzeichnisses beschränkt
Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher (GV), dem Schuldner die Vermögensauskunft abzunehmen und erteilte folgende Weisung:
"Sollte der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre nach altem Recht des § 807 ZPO oder der letzten zwei Jahre gemäß § 802c ZPO eine Vermögensauskunft abgegeben haben, so wird beantragt, dem Gläubiger einen Abdruck des beim Gericht bzw. beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegten Vermögensverzeichnisses zuzuleiten, wenn das Verzeichnis nicht älter als 12 Monate ist. Bei einem älteren Verzeichnis erfolgt Antragsrücknahme. Ist das Verzeichnis älter, wird um Mitteilung gebeten, wann und wo die Vermögensauskunft abgegeben wurde."
GV lehnt den Antrag deshalb ab
Der GV hat die Durchführung des Auftrages abgelehnt, weil die Vermögensauskunft bzw. die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses nicht an eine Bedingung geknüpft werden könne. Die dagegen gerichtete Erinnerung blieb erfolglos, so dass nun das LG auf die sofortige Beschwerde zu entscheiden hat.
2 II. Aus der Entscheidung
LG folgt dem Gerichtsvollzieher
Der Vollstreckungsauftrag war nach Ansicht des LG unzulässig, weil er mit Einschränkungen versehen ist, die das Gesetz nicht zulässt. In Rechtsprechung und Literatur ist tatsächlich umstritten, ob ein Gläubiger im Verfahren über die Erteilung einer Vermögensauskunft auf die Übersendung des früheren Vermögensverzeichnisses gemäß § 802d ZPO verzichten bzw. den Zwangsvollstreckungsauftrag beschränken kann mit der Folge, dass der GV von der kostenpflichtigen Übersendung des Vermögensverzeichnisses absehen muss, oder ob ein einschränkender Antrag auf Übersendung des Vermögensverzeichnisses nicht zulässig ist.
Wortlaut, Gesetzesbegründung und Reformabsichten
Das LG stützt seine Ansicht einerseits auf den Wortlaut des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, der erkennen lasse, dass eine Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers nicht in Betracht komme. Die Formulierung "andernfalls leitet … zu" zeige, dass es einen Spielraum für eine Entscheidungsmöglichkeit der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten nicht gibt. Die zwingende Folge der Übersendung des Vermögensverzeichnisses ohne eine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 802d ZPO (BT-Drucks 16/10069, S. 26, so auch LG Münster DGVZ 2014, 201). Diese Auslegung werde durch die geplante Änderung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO nach dem Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuPfVODG) der Bundesregierung vom 17.2.2016 (BT-Drucks 18/7560) bestätigt. Danach soll "zur Klärung der in der Praxis streitigen Frage, ob der Gläubiger auf die Zuleitung des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten kann", eindeutig geregelt werden, dass ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung unbeachtlich ist.
Angeblich sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung dafür
Auch Sinn und Zweck der Vorschrift und das System des neuen Schuldnerverzeichnisses sprechen für eine zwingende Übersendung der schon vorliegenden Vermögensauskunft. Das neue Schuldnerverzeichnis soll als Auskunftsverzeichnis den Gläubigern aktuelle Kenntnisse über die Vermögensverhältnisse eines Schuldners verschaffen. Seine verstärkte Bedeutung liegt in der verbesserten Möglichkeit der Informationsbeschaffung für alle Gläubiger eines Schuldners bereits zu Beginn ihres jeweiligen Vollstreckungsverfahrens und insbesondere in dem Schutz der Gläubigerschaft vor Geschäften mit zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Schuldnern. Den Gläubigern sollen weitere Erkenntnisse über den Schuldner durch ergänzende Fremdauskünfte ermöglicht werden. Ziel des Gesetzes war somit – neben dem Schutz des einzelnen Gläubigers-, in erster Linie ein verbesserter Schutz des Rechtsverkehrs. Die Blickrichtung war mithin nicht der einzelne Gläubiger allein, sondern die Gläubigerschaft insgesamt, das heißt der Rechtsverkehr im Allgemeinen (vgl. BT-Drs 16/10069, S. 20). Dass diese Zielrichtung im Vordergrund der gesetzlichen Regelung steht, wird bestätigt durch die Begründung der geplanten Änderung des § 802d ZPO.
Parteiherrschaft sei eingeschränkt
Die Parteiherrschaft des Gläubigers sei durch diese gesetzlich vorgegebene Alternativhandlungsanweisung an den GV wirksam eingeschränkt, begründet aus dem Gesetzeszweck des verbesserten Schutzes des Rechtsverkehrs. Die grundsätzlich gegebene Dispositionsfreiheit des Gläubigers wird durch die gesetzlich vorgegebene Folge nicht wesentlich tangiert. Die gegenteilige Ansicht des OLG Hamm und...