Leitsatz
Auch bei erlassenem Haftbefehl unterbleibt eine Verhaftung, wenn der Schuldner vor der Verhaftung freiwillig die Vermögensauskunft abgibt. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist der Schuldner vor einer Verhaftung zur freiwilligen Leistung aufzufordern. Gibt der Schuldner die Vermögensauskunft freiwillig ab, fällt keine Gebühr für eine Verhaftung an.
AG Apolda, Beschl. v. 20.8.2019 – M 99/19
1 I. Der Fall
Kostenansatzbeschwerde gegen GV-Rechnung zur Verhaftung
Mit seiner Erinnerung richtet sich der Gläubiger gegen den Gebührenansatz der Gerichtsvollzieherin, soweit die volle Gebühr für eine Verhaftung angesetzt worden ist. Da die Schuldnerin mehrfach nicht angetroffen worden war und auch auf schriftliche Mitteilungen nicht reagiert hatte, war auf Antrag Haftbefehl zur Erzwingung der Vermögensauskunft durch das Amtsgericht erlassen worden.
Erst verhaften, dann fragen …
Nachdem die Gerichtsvollzieherin die Schuldnerin am 18.5.2018 angetroffen hatte, verhaftete sie die Schuldnerin unter Vorlage des Haftbefehls und forderte sie auf, die Vermögensauskunft zu erteilen. Vor Verhaftung erfolgte keine Befragung der Schuldnerin danach, ob sie zur freiwilligen Abgabe der Vermögensauskunft bereit sei. Nach Verhaftung gab die Schuldnerin die Vermögensauskunft ab.
2 II. Die Entscheidung
Grundregeln zur Vergütung für die Verhaftung
Gemäß KV Nr. 270 GV-KostG kann der Gerichtsvollzieher für jede Verhaftung, Nachverhaftung oder zwangsweise Vorführung eine Festgebühr in Höhe von 39,00 EUR beanspruchen. Der Gebührentatbestand entsteht mit Verhaftung des Schuldners und diese beginnt mit Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Haftbefehls.
Freiwilligkeit macht Verhaftung entbehrlich
Jedoch unterbleibt auch bei erlassenem Haftbefehl eine Verhaftung, wenn der Schuldner vor der Verhaftung freiwillig die Vermögensauskunft abgibt (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 802g Rn 20). Entsprechend bestimmt § 144 Abs. 3 GVGA, dass die Verhaftung unterbleibt, wenn die Vermögensauskunft freiwillig abgegeben wird. Daher ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich vor einer Verhaftung zur freiwilligen Leistung aufzufordern. Dass dies geschehen ist, schildert auch die Gerichtsvollzieherin in ihrer Stellungnahme zur Erinnerung nicht.
Entbehrliche Verhaftung löst keine Gebühren aus
Die Gebühr für eine Verhaftung kann aber nur dann angesetzt werden, wenn sie dementsprechend rechtmäßig erfolgte, weil die Vermögensauskunft eben nicht freiwillig abgegeben wurde. Auf eine beabsichtigte Verweigerung der Abgabe kann nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Schuldner zuvor mehrfach nicht angetroffen worden war und auch auf schriftliche Mitteilungen nicht reagiert hat. Dies kann auch auf anderen Gründen beruhen.
3 Der Praxistipp
GV-Rechnungen prüfen und Kostenansatzbeschwerde im Blick haben
Gläubiger wie Schuldner haben Anlass, die Kostenrechnungen von Gerichtsvollziehern zu prüfen. Der Gläubiger, weil er die Kosten vorfinanzieren muss und nicht sicher sein kann, dass diese auch erstattet werden oder deren Erstattung letztlich nicht zu Lasten der Realisierung der Forderung im Übrigen geht. Der Schuldner, weil er diese Kosten letztlich nach § 788 ZPO tragen muss und seine Gesamtlast so erhöht wird.
Soll die Kostenrechnung beanstandet werden, ist die Kostenansatzbeschwerde nach § 5 GvKostG das Rechtsmittel der Wahl. Sie eröffnet über den Verweis auf § 66 GKG einen Rechtsmittelweg über die Beschwerde zum Landgericht und die weitere Beschwerde sogar zum Oberlandesgericht. Ein Weg, der mit der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO in der Regel nicht zu erreichen ist, weil die Wertgrenze des § 567 Abs. 2 ZPO von 200 EUR nicht überschritten wird.
Falsche Sachbehandlung
Tatsächlich entstanden sind die Kosten für die Verhaftung, denn die Gerichtsvollzieherin hat die Schuldnerin objektiv verhaftet. Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache durch den Gerichtsvollzieher nicht entstanden wären, werden aber nach § 7 Abs. 1 GvKostG nicht erhoben. Hierauf stellt die Entscheidung des Amtsgerichts letztlich ab, ohne § 7 GvKostG zu erwähnen. Genau das ist es aber, was Gläubiger und Schuldner prüfen müssen. Durfte der Gerichtsvollzieher in dieser Weise agieren? Im konkreten Fall war die Antwort einfach zu finden. Vor dem Hintergrund des hohen Wertes der Freiheit verlangte schon der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Freiwilligkeit vor den Zwang zu stellen und zu fördern und zu fordern.
Hinweis
Hat der Gläubiger den GV mit der Verhaftung zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft (§ 802g Abs. 2 ZPO) beauftragt und erfolgt dann aber keine Verhaftung, steht dem GV objektiv die Nichterledigungsgebühr gem. Nr. 604 i.V.m. Nr. 270 KV GvKostG in Höhe von 15,00 EUR zuzüglich Auslagen zu. Da diese Kosten jedoch nicht Gegenstand des Erinnerungsverfahrens waren, hatte das Gericht in der vorstehenden Entscheidung hierüber nicht zu entscheiden.
FoVo 10/2020, S. 198 - 199