Kein Pfändungsschutz wegen der Herkunft der Mittel aus gemeinnützigem Fonds
Der BGH hat die erste Frage zugunsten der Gläubiger entschieden: Der Pkw unterliege nicht deshalb einem Pfändungsverbot, weil er nach dem Vorbringen des Schuldners überwiegend mit Mitteln aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR" erworben worden ist.
Im Ausgangspunkt lässt der BGH zunächst einmal zwei wichtige Punkte offen, die mithin nicht als entschieden gelten können:
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Es könne dahinstehen, ob ein Anspruch gegen den Fonds "Heimerziehung in der DDR", welcher das Ziel hat, ehemaligen Heimkindern, denen Unrecht und Leid während ihrer Heimunterbringung in der ehemaligen DDR zugefügt wurde, finanzielle Hilfen zu gewähren, nach § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB unpfändbar sei, weil die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könnte |
Hinweis
Dies hatte der BGH (NJW-RR 2014, 1009) allerdings für den Anspruch auf Entschädigung für Opfer sexuellen Missbrauchs aufgrund des Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz vom 2.3.2011 angenommen. Dieser könne jedenfalls nicht unmittelbar gepfändet werden.
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Des Weiteren könne offenbleiben, ob sich die Unpfändbarkeit eines entsprechenden Anspruchs ohne Weiteres an dem zu dessen Erfüllung Geleisteten fortsetzt oder ob Unpfändbarkeit insoweit nur dann besteht, wenn sie für das Geleistete anderweitig angeordnet ist. |
Es gibt keinen "fortgesetzten" Pfändungsschutz
Eine etwaige Unpfändbarkeit des Anspruchs gegen den Fonds "Heimerziehung in der DDR" setzt sich nach dem BGH jedenfalls nicht an dem Pkw fort. Nach dem Sachverhalt sei es so, dass der Fonds nicht etwa den Pkw als Leistung erbracht habe. Vielmehr habe der Schuldner eine Geldzuwendung erhalten, die er dann nur (teilweise) für den Kauf eines Pkw eingesetzt habe. Der Kauf selbst sei völlig unabhängig davon mit einem Händler als Drittem abgewickelt worden. Besondere Vorschriften, welche zur Unpfändbarkeit des Pkw gerade wegen der Unpfändbarkeit eines Anspruchs gegen den Fonds "Heimerziehung in der DDR" führen würden, sind nicht ersichtlich.
Hinweis
Die vom Schuldner herangezogene Entscheidung des BGH vom 22.5.2014 (IX ZB 72/12) steht dem nicht entgegen, weil hier unmittelbar an der Quelle gepfändet wurde.
Aber: LG hat nicht alle Pfändungsschutzbestimmungen beachtet
Allerdings hatte das LG die erst seit dem 1.1.2022 geltende Vorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ZPO nicht berücksichtigt, was dem BGH Gelegenheit gab, deren Voraussetzungen näher zu beleuchten.
Danach unterliegen solche Sachen nicht der Pfändung, die der Schuldner oder eine Person, mit der er zusammen in einem gemeinsamen Haushalt lebt, aus gesundheitlichen Gründen benötigt. Diese Vorschrift, die den bisherigen § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO a.F. unter Erweiterung seines Anwendungsbereichs ersetzt (vgl. BT-Drucks 19/27636, S. 29), ist durch das am 1.1.2022 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (BGBl I, 2021, S. 850 ff.) eingeführt worden.
BGH definiert Voraussetzungen des (neuen) Pfändungsschutzes aus gesundheitlichen Gründen
Der BGH sieht hier zunächst zwei Ansätze für gesundheitliche Gründe, von denen er aber den ersten verwirft: Aus der vom Schuldner für nötig erachteten Nutzung des Fahrzeugs zum Aufsuchen seiner ärztlichen Therapeutin folgten für sich genommen keine gesundheitlichen Gründe.
Der Wortlaut des § 811 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ZPO sei nach der Neufassung weiter, sodass die Vorschrift nun allgemein Hilfs- und Therapiemittel erfasst, die zum Ausgleich oder zur Minderung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung benötigt werden.
Hinweis
Mit der Neufassung der Vorschrift sollen nunmehr auch Sachen geschützt sein, die der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung – wie beispielsweise eine Staffelei im Rahmen einer Kunsttherapie – benötigt (vgl. BT-Drucks 19/27636, S. 29 f.); die im früheren Recht enthaltene Beschränkung auf körperliche Gebrechen ist entfallen.
Der Normzweck habe sich durch die Neufassung vom Grundsatz her hingegen nicht geändert: Er liege darin, eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu behandeln beziehungsweise die aus einer gesundheitlichen Beeinträchtigung resultierenden Nachteile auszugleichen oder zu verringern und dem Schuldner so ein angemessenes Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Dem Schuldner sind die dafür notwendigen Gegenstände zu belassen.
Allein für die Fahrt zum Arzt gibt es keinen Pfändungsschutz
Ein Zusammenhang, dass der unpfändbare Gegenstand selbst bereits das Hilfs- oder Therapiemittel bezüglich der gesundheitlichen Beeinträchtigung sein muss, ist danach aber nicht entbehrlich. § 811 Abs. 1 Nr. 1c) ZPO ist nach dem BGH deshalb entsprechend einschränkend auszulegen.
Die Vorgängerregelung in § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO a.F. war schon von ihrem Wortlaut her eindeutig ("künstliche Gliedmaßen, Brillen und andere wegen körperlich...