Leitsatz
1. Auf Geschäftsraummietverhältnisse findet § 940a Abs. 2 ZPO keine (analoge) Anwendung.
2. Räumungstitel i.S.v. § 940 Abs. 2 ZPO ist auch ein Vergleich, der in einem Gerichtsverfahren zustande gekommen ist, in welchem der Kläger die Räumung und Herausgabe der Mieträume beantragt hat.
3. Die Räumung von Gewerberaum gegen einen im Räumungstitel nicht genannten Dritten durch einstweilige Verfügung kommt in Betracht, wenn der Mieter die Vollstreckung mithilfe von missbräuchlich eingesetzten Untermietern verhindern oder verzögern will und die besondere Eilbedürftigkeit nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO glaubhaft gemacht wird.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2022 – 8 U 130/21
1 Der Fall
Beendigung des Mietverhältnisses und Räumungsverpflichtung per Vergleich
Der Verfügungskläger (fortan: Kläger) begehrt von der Verfügungsbeklagten (fortan: Beklagte) im Wege der einstweiligen Verfügung die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen.
Der Kläger und die W KG (dortige Beklagte, fortan: Mieterin) schlossen im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich. Danach bestand Einigkeit, dass die zwischen den Parteien des Vergleichs vormals bestehenden Mietverhältnisse über Gewerberäume zum 31.12.2019 endeten. Die Mieterin verpflichtete sich, diese Räume zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Der Kläger verzichtete auf die Geltendmachung des Räumungstitels bis längstens zum 31.12.2020, wenn und solange die Mieterin die in dem Vergleich vereinbarten monatlichen Zahlungen an den Kläger leistet, was bis zuletzt der Fall war.
Vollstreckungsgegenklage der Mieterin wird abgewiesen
Die Mieterin erhob im November 2020 gegen den Kläger Vollstreckungsgegenklage mit der Behauptung, sie habe sich inzwischen mit ihm darauf verständigt, dass das bisherige Nutzungsverhältnis zu einem jährlichen Entgelt von 200.000 EUR brutto ab dem 1.1.2021 für zwei Jahre mit Verlängerungsoptionen fortgesetzt werde. Das LG wies die Klage ab.
Gewerberäume an Beklagte untervermietet
Nach den Angaben des Klägers erhielt dieser erstmals am 9.12.2020 die Information, dass die Mieterin die fraglichen Räume an die Beklagte untervermietet habe. Ob dem anwaltlichen Vertreter des Klägers das Schreiben vom 20.3.2019, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte seit 2016 Untermieterin sei, damals zuging, ist streitig.
Nachdem der Kläger die Vollstreckung aus dem Räumungsvergleich in Auftrag gegeben hatte, teilte die GV der Mieterin mit Schreiben vom 13.1.2021 mit, dass sie die Räumung am 1.2.2021 vornehmen werde. Die Mieterin wies die GV darauf hin, dass die fraglichen Räume an die Beklagte untervermietet seien, und ließ ihr unter dem 23.1.2021 den (angeblichen) entsprechenden Untermietvertrag übersenden.
Darauf erfolgreiche einstweilige Verfügung des Klägers
Der hierüber von der GV informierte Kläger hat daraufhin am 26.1.2021 beantragt, der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die fraglichen Mieträume zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Das LG gab dem Antrag ohne mündliche Verhandlung statt. Der Kläger hat hieraus am 17.3.2021 die Räumungsvollstreckung gegen die Beklagte betrieben.
Bereits zuvor, am 5.2.2021, hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Mit Rücksicht auf die inzwischen durchgeführte Räumungsvollstreckung erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, hilfsweise hat er die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung beantragt.
Das LG hat die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des Antrags erstrebt.
2 II. Die Entscheidung
Das OLG verneint einen Verfügungsgrund
Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt in Abänderung des angefochtenen Urteils zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 27.1.2021 und zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass der beantragten Räumungsverfügung. Der Antrag auf Erlass der Räumungsverfügung ist mangels Verfügungsgrund unbegründet.
Das LG hat ausdrücklich offengelassen, ob die Bestimmung des § 940a Abs. 2 ZPO (entsprechende) Anwendung findet. Denn der Kläger habe jedenfalls einen Verfügungsgrund nach § 940 ZPO glaubhaft gemacht. Die einstweilige Verfügung sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Kläger notwendig. Der Kläger habe glaubhaft gemacht, dass er Kenntnis von dem Untermietvertrag erstmals am 25.1.2021 erhalten habe. Er habe daher bisher keine Veranlassung gehabt, sich auch gegen die Beklagte einen Vollstreckungstitel zu beschaffen. Der Verweis des Klägers auf ein Hauptsacheverfahren käme einer Rechtsverweigerung gleich. Der Kläger sei wegen einer zeitnahen Weitervermietung auf eine baldige Räumung angewiesen. Diese Erwägungen sind unzutreffend. Dem Vorbringen des Klägers ist ein Verfügungsgrund nicht zu entnehmen.
Strengste Anforderungen an eine Leistungsverfügung
Bei einer Leistungsverfügung, die zu einer vollen Befriedigung des Gläubigers führen würde, sind außerhalb des hier nicht in Betracht kommenden Anspruchs wegen widerrechtlicher Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht (§§ ...