Eine Entscheidung, die in jeder Hinsicht falsch ist
Es hätte dem AG geholfen, wenn es die rechtliche Prüfungsreihenfolge eingehalten hätte. Das Unterlassen führt zu einem doppelten Fehler:
Es wird zunächst nicht gesehen, dass die Titulierung einer Forderung auf einen Inkassodienstleister nicht bedeutet, dass es sich nicht um eine fremde Forderung handelt. § 2 Abs. 2 RDG definiert als Inkassodienstleistung nicht nur die Einziehung einer fremden Forderung als Inkassodienstleistung, sondern auch die zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung.
Definition der Inkassodienstleistung nicht erschöpft
Der Umstand, dass im Vollstreckungstitel der Inkassodienstleister als Gläubiger genannt ist, kann also nicht einmal als Indiz dafür gelten, dass es sich um eine eigene Forderung handelt.
Wenn man also davon ausgeht, dass ein solcher Fall vorliegt, dann liegt sowohl eine (wirtschaftlich) fremde Forderung vor als auch eine (faktische) Vertretung des Gläubigers bei der Einziehung der Forderung. Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 RDG und des § 4 Abs. 4 RDGEG a.F., der nunmehr in § 13e Abs. 2 RDG aufgegangen ist, vor.
Ohne Inkassodienstleistung gilt das RDG wie das RDGEG nicht
Wenn man dem AG darin folgen würde, dass mangels Fremdheit der Forderung keine Inkassodienstleistung und letztlich keine "Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren" vorliegt, dann ist schon das RDG und in der Folge auch das RDGEG nicht anwendbar. Leider lässt das AG unbeantwortet, was die Folge dieser Erkenntnis ist.
Die Folge wäre die unmittelbare Anwendung von § 788 ZPO. Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen danach, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. § 788 ZPO verlangt originär also weder die Fremdheit der Forderung noch eine Vertretung eines Dritten im Vollstreckungsverfahren.
§ 788 ZPO anzuwenden führt zum richtigen Ergebnis
Indem § 788 Abs. 1 S. 1 S. 1 ZPO auf § 91 ZPO verweist, findet auch § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO entsprechende Anwendung. Danach sind in eigener Sache dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Für einen Inkassodienstleister kann nichts anderes gelten, weil der Gesetzgeber – zu Recht – davon ausgeht, dass Rechtsanwälte und Inkassodienstleister im Rahmen ihrer Postulationsfähigkeit schon aus verfassungsrechtlichen Gründen gleich zu behandeln sind (BT-Drucks 19/20348, S. 27). Ausdrücklich heißt es dort auch, dass Rechtsanwälte und Inkassodienstleister im Zwangsvollstreckungsverfahren dieselben Kosten geltend machen können. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, zumal keiner, der die verfassungsrechtlichen Sachranken der Ungleichbehandlung überwindet, dies bei der Einziehung eigener Forderungen anders zu sehen.
VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 10/2022, S. 199 - 200