Auftrag an den Rechtsdienstleister
Für die Beantwortung der Leseranfrage ist es zunächst unerheblich, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister beauftragt wurde. Beide Rechtsdienstleister erhalten regelmäßig den umfassenden Auftrag, eine aus Sicht des Gläubigers im Zeitpunkt der Auftragserteilung unbestrittene Forderung einzuziehen. Hierbei handelt es sich um eine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG. Solche unbestrittenen Forderungen erfordern keine rechtliche Prüfung im konkreten Einzelfall. Da die Erforderlichkeit einer solchen Prüfung nach § 2 Abs. 1 RDG Tatbestandsmerkmal der von der Inkassodienstleistung abzugrenzenden Rechtsdienstleistung ist, bleibt unerheblich, ob die Prüfung im Einzelfall eröffnet ist.
0,9-Geschäftsgebühr als Regelgebühr
Die Inkassodienstleistung wird nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG mit der Geschäftsgebühr im Rahmen einer 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr abgegolten, wobei eine 0,9-Geschäftsgebühr nur bei einer besonders umfangreichen oder schwierigen Bearbeitung überschritten werden darf. Es handelt sich bei der 0,9-Geschäftsgebühr mithin um die Regelgebühr.
Hinweis
Anders als mancher Schuldnerberater sich wünschen mag, ist in der Inkassoerstmahnung keine 0,5-Geschäftsgebühr anzusetzen. Die Verminderung der 0,9-Regelgebühr auf eine 0,5-Geschäftsgebühr setzt einen einfachen Fall voraus. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner auf die erste Inkassomahnung die Forderung zahlt. Da die abgesenkte Gebühr also von einer Bedingung abhängig ist, die im Zeitpunkt der Versendung der ersten Inkassomahnung noch nicht gegeben und auch nicht absehbar ist, darf der Rechtsanwalt wie der Inkassodienstleister für das Erstschreiben gegenüber dem Gläubiger eine 0,9-Geschäftsgebühr geltend machen, die der Schuldner dann auch nach §§ 280, 286 BGB zu erstatten hat. Tritt die Bedingung dann ein, weil der Schuldner zeitnah – vollständig – zahlt, kann er bei Zahlung den Zahlbetrag um die abgesenkte Geschäftsgebühr vermindern oder er erhält einen entsprechenden bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch. Viele Rechtsdienstleister weisen den Schuldner auf die zeitnahe Zahlungsmöglichkeit motivierend hin und teilen ihm zugleich den dann niedrigeren Gesamtzahlungsbetrag mit. Das ist rein praktisch zu empfehlen.
Der Gegenstandswert für die Gebühr
Der Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 1 RVG i.V.m. §§ 34, 43 GKG.
Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren für die anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Das gleiche gilt nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Der Zahlungsanspruch könnte Gegenstand eines gerichtlichen Mahnverfahrens oder einer Zahlungsklage sein, sodass diese Voraussetzungen vorliegen, mithin der Gegenstandswert sich nach dem Gerichtskostengesetz und hier nach §§ 34, 43 GKG bestimmt. Danach bleiben die Nebenforderungen außer Betracht und es ist allein auf den Hauptanspruch abzustellen.
Der Gegenstandswert beträgt damit vorliegend 2.100 EUR, sodass die vorgerichtlichen Gebühren in der Fallsituation der Leseranfrage aus der Gebührenstufe bis 3.000 EUR zu berechnen sind (§ 34 GKG). Die 0,9-Geschäftsgebühr beträgt danach 199,80 EUR.
Teilzahlung führt nicht zum einfachen Fall
Die bekannten Statistiken zeigen auf, dass nur in etwa 20 % aller Zahlungsaufforderungen zu einer unstreitigen Forderung tatsächlich eine Vollzahlung erfolgt. So ist auch im Fall unseres Lesers nur eine Teilzahlung erfolgt. Ein einfacher Fall liegt nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG in der Regel aber nur vor, wenn die Forderung auf die erste Zahlungsaufforderung hin vollständig beglichen wird (insgesamt zum einfachen Fall Goebel, Inkassodienstleistung und Inkassokosten, 3. Aufl. 2022, Rn 322). Daran fehlt es hier.
Zahlungsvereinbarung führt zu einem besonders umfangreichen Fall
Nach der Teilzahlung möchte der Schuldner die verbliebene Restforderung von 1.137,74 EUR zuzüglich der weiteren Zinsen in Raten von 50 EUR zahlen, was zu mindestens 23 Raten führt. Schon in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/20348, S. 63) ist ausgeführt, dass eine Zahlungsvereinbarung von mehr als neun Raten einen besonders umfangreichen Fall i.S.d. Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG begründet. Dies eröffnet den erhöhten Rahmen der Geschäftsgebühr bei Inkassodienstleistungen von 0,9 bis 1,3. Innerhalb dieses Rahmens ist nach § 14 RVG durch den Rechtsdienstleister die konkrete Gebühr zu bestimmen. Jedenfalls bei mehr als 20 Einzelraten – nach der hier vertretenen Auffassung je nach Buchungsaufwand durchaus auch schon ab 15 Raten – kann eine 1,3-Geschäftsgebühr angemessen sein. Daran ist hier nicht zu zweifeln.
Hinweis
Neben der Geschäftsgebühr entsteht hier die 0,7-Einigungsgebühr aus Nr. 1000 Ziffer 2 VV RVG. Für den Gegens...