I. Das Problem
Auftrag zur Einziehung
Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Gläubiger hat uns eine Forderung von 2.100 EUR zur Einziehung übergeben, nachdem er den Schuldner vorgerichtlich erfolglos angemahnt hat. Verzug ist am 21.10.2022 eingetreten. Der Schuldner hat sich auf die kaufmännischen Mahnungen nicht gemeldet, sodass bei Übergabe auch keine Einwendungen oder Einreden bekannt waren.
Die Rechtsverfolgungskosten
Als beauftragter Inkassodienstleister haben wir den Schuldner nun vorgerichtlich gemahnt und dabei neben der Hauptforderung noch 123,38 EUR Zinsen (bis 18.9.2023) und 2,80 EUR Gläubigermahnspesen für zwei Gläubigermahnungen geltend gemacht. Mit dem Gläubiger ist vertraglich eine Abrechnung nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vereinbart, sodass wir in Beachtung von § 13e Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) eine 0,9-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG (199,80 EUR) nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG (20 EUR) und der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG (41,75 EUR), insgesamt also 261,56 EUR an Kosten geltend gemacht haben.
Teilzahlung
Der Schuldner zahlt nun 1.350,00 EUR. Den Rest (1.137,74 EUR) will er in Raten von monatlich 50 EUR zahlen, d.h. in mehr als neun Raten. Es wird nach unserer Ansicht so ein umfangreicher Fall daraus und wir erhöhen die Geschäftsgebühr auf 1,3.
Schwierige Gebührenrechnung
Müssen wir nun die anfängliche 0,9-Geschäftsgebühr stornieren und auf Basis des neuen – geringeren – Streitwerts eine 1,3-Geschäftsgebühr einbuchen? Oder ist auf Basis des geringeren Streitwerts eine weitere 0,4-Geschäftsgebühr zu errechnen und diese zur anfänglichen 0,9-Geschäftsgebühr nachzubuchen? Wir vermuten, der zweite Fall kommt hier zur Anwendung und wir hätten dann eine "Mischgebühr", die insgesamt zwar einen Faktor von 1,3 hat, aber auf Basis von zwei verschiedenen Streitwerten berechnet wurde.
II. Die Lösung
Auftrag an den Rechtsdienstleister
Für die Beantwortung der Leseranfrage ist es zunächst unerheblich, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister beauftragt wurde. Beide Rechtsdienstleister erhalten regelmäßig den umfassenden Auftrag, eine aus Sicht des Gläubigers im Zeitpunkt der Auftragserteilung unbestrittene Forderung einzuziehen. Hierbei handelt es sich um eine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG. Solche unbestrittenen Forderungen erfordern keine rechtliche Prüfung im konkreten Einzelfall. Da die Erforderlichkeit einer solchen Prüfung nach § 2 Abs. 1 RDG Tatbestandsmerkmal der von der Inkassodienstleistung abzugrenzenden Rechtsdienstleistung ist, bleibt unerheblich, ob die Prüfung im Einzelfall eröffnet ist.
0,9-Geschäftsgebühr als Regelgebühr
Die Inkassodienstleistung wird nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG mit der Geschäftsgebühr im Rahmen einer 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr abgegolten, wobei eine 0,9-Geschäftsgebühr nur bei einer besonders umfangreichen oder schwierigen Bearbeitung überschritten werden darf. Es handelt sich bei der 0,9-Geschäftsgebühr mithin um die Regelgebühr.
Hinweis
Anders als mancher Schuldnerberater sich wünschen mag, ist in der Inkassoerstmahnung keine 0,5-Geschäftsgebühr anzusetzen. Die Verminderung der 0,9-Regelgebühr auf eine 0,5-Geschäftsgebühr setzt einen einfachen Fall voraus. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner auf die erste Inkassomahnung die Forderung zahlt. Da die abgesenkte Gebühr also von einer Bedingung abhängig ist, die im Zeitpunkt der Versendung der ersten Inkassomahnung noch nicht gegeben und auch nicht absehbar ist, darf der Rechtsanwalt wie der Inkassodienstleister für das Erstschreiben gegenüber dem Gläubiger eine 0,9-Geschäftsgebühr geltend machen, die der Schuldner dann auch nach §§ 280, 286 BGB zu erstatten hat. Tritt die Bedingung dann ein, weil der Schuldner zeitnah – vollständig – zahlt, kann er bei Zahlung den Zahlbetrag um die abgesenkte Geschäftsgebühr vermindern oder er erhält einen entsprechenden bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch. Viele Rechtsdienstleister weisen den Schuldner auf die zeitnahe Zahlungsmöglichkeit motivierend hin und teilen ihm zugleich den dann niedrigeren Gesamtzahlungsbetrag mit. Das ist rein praktisch zu empfehlen.
Der Gegenstandswert für die Gebühr
Der Gegenstandswert für die Geschäftsgebühr bestimmt sich nach § 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 1 RVG i.V.m. §§ 34, 43 GKG.
Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren für die anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Das gleiche gilt nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Der Zahlungsanspruch könnte Gegenstand eines gerichtlichen Mahnverfahrens oder einer Zahlungsklage sein, sodass diese Voraussetzungen vorliegen, mithin der Gegenstandswert sich nach dem Gerichtskostengesetz und hier nach §§ 34, 43 GKG bestimmt. Danach bleiben die Nebenforderungen...