Leitsatz
1. Bei Selbständigen ist die Gefahr einer Verschleierung von Einkünften besonders hoch, weshalb an Nachfragen im Offenbarungsverfahren keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen.
2. Folgende Fragen muss der Schuldner spätestens im Nachbesserungsverfahren beantworten:
a) Wie lauten mit vollen Namen unter Angabe der Rechtsform und der ladungsfähigen Anschriften die Kunden und Auftraggeber des Schuldners, die er seit seiner Selbständigkeit oder mindestens in den letzten zwölf Monaten bedient hat?
b) Welche Umsätze hat der Schuldner insgesamt mit seinen Kunden und Auftraggebern in welchen Zeiträumen, zumindest aber in den letzten zwölf Monaten, getätigt?
c) Welche Umsätze hat der Schuldner mit jedem einzelnen Kunden und Auftraggeber in den letzten zwölf Monaten getätigt?
d) Welche Art und Leistung hat der Schuldner jedem einzelnen Kunden und Auftraggeber erbracht. ?
LG Verden, 12.5.2009 - 6 T 69/09
1 I. Der Fall
Nachfragen im Offenbarungsverfahren
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid. Auf ihren Antrag gab der Schuldner die eidesstattliche Versicherung ab und ergänzte seine Angaben auf einen ersten "Nachbesserungsantrag" der Gläubigerin. Wegen der aus dem Tenor ersichtlichen Fragen der Gläubigerin lehnte der GV eine weitere Befragung des Schuldners ab. Auf die dagegen eingelegte Erinnerung der Gläubigerin änderte das AG die Entscheidung des GV dahingehend ab, dass der Schuldner auch die unter Ziffer 2 des obigen Leitsatzes aufgeführte Frage zu seinen Umsätzen der letzten 12 Monate zu ergänzen habe. Im Übrigen wies es die Erinnerung zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, die ihr vor dem LG den vollen Erfolg bringt.
2 II. Die Entscheidung
Der Umfang der Auskunftspflicht
Der Schuldner ist verpflichtet, seine eidesstattliche Versicherung auch im Hinblick auf die weiteren Fragen der Gläubigerin zu ergänzen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung hat ein selbständig tätiger Schuldner im Rahmen der Ergänzung einer eidesstattlichen Versicherung seine geschäftlichen Aktivitäten auch für einen zurückliegenden Zeitraum zu offenbaren. Ergänzende Fragen sind immer dann zuzulassen, wenn sie nicht offensichtlich auf Ausforschung der allgemeinen Lebensverhältnisse angelegt sind. Bei Selbständigen dürfen insoweit keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden, weil bei ihnen die Gefahr einer Verschleierung von Einkünften besonders hoch ist. Vorliegend dienen auch die Fragen zu abgeschlossenen Aufträgen dazu, der Gläubigerin ggf. weitere Vollstreckungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Besondere Auskunftspflicht bei Selbständigen
Zweck des Offenbarungsverfahrens ist es, den Schuldner zu zwingen, seine Vermögensverhältnisse so weit offenzulegen, dass der Gläubiger Klarheit über die Erfolgsaussicht weiterer Vollstreckungsversuche erhält. Hierfür reichen die Angaben des Schuldners im Vermögensverzeichnis, er sei "selbständig" und sein Verdienst sei "schwankend", angesichts des Umstandes, dass der Schuldner über andere regelmäßige Einkünfte nicht verfügt, nicht aus, um den Zweck des Vermögensverzeichnisses zu erfüllen. Der Schuldner hat seine geschäftlichen Aktivitäten auch für einen zurückliegenden Zeitraum zu offenbaren. In der Rechtsprechung ist dies für Gelegenheitsarbeiter mit wechselnden Arbeitgebern schon seit langem anerkannt. Die Interessenlage bei Selbständigen ist nicht anders zu beurteilen, weil zu erwarten ist, dass der Schuldner auch künftig Aufträge seiner bisherigen Kunden erhalten wird (vgl. OLG Köln JurBüro 1994, 408; LG Hannover JurBüro 1998, 213; LG Gera JurBüro 2003, 658 f.; AG Bremen JurBüro 2007, 498 f.). Das LG schließt sich insoweit der überwiegenden Auffassung an, die vom Schuldner differenzierte Angaben zu sämtlichen Auftraggebern für den Zeitraum mindestens der letzten 12 Monate verlangt. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht.
3 Der Praxistipp
Ziel: Vollständige Vermögensauskunft
Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie betont zu Recht den Ausgangspunkt der ZPO, dass der Schuldner vollständige Auskunft über sein Vermögen zu geben hat. Das herkömmlich verwendete und dem Schuldner mit der Ladung zu übersendende Formular stellt dabei nur eine Hilfe für den Schuldner dar. Eine abschließende Regelung, welche Angaben zum Vermögen zu machen sind, ist damit nicht verbunden. Hierfür ist allein § 807 ZPO maßgeblich (Ebenso Spring, NJW 1994, 1108). Dies gilt umso mehr, als in Literatur und Rechtsprechung weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die amtlichen Vordrucke nicht geeignet sind, die vollständige Abgabe eines Vermögensverzeichnisses sicherzustellen (LG Deggendorf InVo 2003, 296 = JurBüro 2003, 159; Behr, Rpfleger 1988, 1; ders., JurBüro 1996, 289; ders., JurBüro 1996, 401 und 457 mit einer Rechtsprechungsübersicht bis 1995; David, MDR 2000, 195; LG Münster DGVZ 2000, 90; LG Cottbus JurBüro 2000, 326, 327; LG Bonn JurBüro 2000, 101; LG Darmstadt JurBüro 2000, 101; LG Passau JurBüro 1996, 329; a.A. soweit ersichtlich nur das LG Augsburg DGVZ 1...