Pfändungsschutz ist gegeben
Zutreffend ist die Ansicht des LG, die Schuldnerin könne sich auf die Unpfändbarkeit des Kraftfahrzeuges Audi TT berufen, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, weil sie das Fahrzeug für ihre Fahrten zur Arbeitsstelle benutze und hierauf zur Erzielung von Einkünften angewiesen sei.
Zweck der Pfändungsschutzvorschriften
Entgegen der Auffassung des LG genügt das Ersatzstück jedoch nicht dem geschützten Verwendungszweck der Fortführung der Erwerbstätigkeit, § 811a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Die Pfändungsverbote des § 811 Abs. 1 ZPO dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mithilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Sie sind Ausfluss der in Art. 1 GG und Art. 2 GG garantierten Menschenwürde bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit und enthalten eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG). Dem Schuldner und seinen Familienangehörigen soll durch sie die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um – unabhängig von Sozialhilfe – ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können (BGH NJW-RR 2004, 789).
Verwertung der Arbeitskraft
Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens soll durch § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erreicht werden, dass der Schuldner seine Arbeitskraft für sich und seine Familienangehörigen einsetzen kann; er soll auch künftig den Unterhalt für sich und seine Familienangehörigen aus eigenen Kräften erwirtschaften können (BGH NJW-RR 2010, 642).
Austauschpfändung möglich
Bei Fahrzeugen, die dem Schuldner das Erreichen seines Arbeitsplatzes am Dienstort ermöglichen, ist ein Austausch nach § 811a Abs. 1 ZPO grundsätzlich möglich. Ein höherwertiges Fahrzeug kann in der Regel gegen einen einfachen Pkw ausgetauscht werden. Er muss lediglich dem geschützten Verwendungszweck nach seiner Ausgestaltung genügen, er muss jedoch nicht von gleicher Art und Güte sein (MüKo-ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 811a Rn 3; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 811a Rn 2; PG/Flury, ZPO, § 811a Rn 3; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 811a Rn 3; a.M. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 811a Rn 3).
Wichtig: Vergleichbare Verwertbarkeit auf Dauer
Allerdings ist dem Schutzzweck des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nur dann Genüge getan, wenn die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit auch zukünftig und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum gewährleistet ist. Der Schutz des Schuldners nach § 811 ZPO wäre unvollkommen, wenn das Ersatzstück nicht die annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie der gepfändete Gegenstand aufweisen würde (Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O. Rn 3; PG/Flury, a.a.O. Rn 3; Zöller/Stöber, a.a.O. Rn 3; Musielak/Becker, a.a.O. Rn 2; MüKo-ZPO/Gruber, a.a.O. Rn 3). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Haltbarkeit und die Lebensdauer des Ersatzstückes der des gepfändeten Gegenstandes annähernd gleich kommt. Der Audi der Schuldnerin war im Zeitpunkt der Austauschpfändung neun Jahre alt, das Ersatzstück VW Golf war 19 Jahre alt. Der Audi besaß eine Laufleistung von ca. 50.000 km, der Golf eine solche von 200.000 km. Zudem waren die Reifen des Golfs überaltert und die Hinterachse angerostet. Die Zusage des Zeugen V., neue Reifen aufzuziehen, muss mangels Rechtserheblichkeit außer Betracht bleiben, da der Zeuge am Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beteiligt ist. Es liegt daher mangels vergleichbarer Haltbarkeit kein Ersatzstück vor, das geeignet wäre, den durch das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützten Verwendungszweck zu erfüllen.