Die erste Frage: Besteht Pfändungsschutz?
Der BGH hat zu Recht zunächst die Frage aufgeworfen, ob ein Pkw überhaupt dem Pfändungsschutz des § 811 ZPO unterfällt. Da die Schuldnerin das Fahrzeug benötigt, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen, hat er dies angenommen, da die Gläubigerin nichts anderes angegeben hat. Der Gläubiger muss die "Erforderlichkeit" des Pkw aber tatsächlich hinterfragen. Der Pkw ist nämlich dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitsplatz auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in angemessener Zeit erreichbar ist. Als angemessen und zumutbar wird man einen Mehraufwand von bis zu einer Stunde je Fahrt gegenüber der Fahrtzeit mit dem Pkw ansehen können. Allein der Umstand, dass die Schuldnerin im Schichtdienst arbeitet, besagt nichts anderes. Zumindest in den Städten ist der ÖPNV inzwischen so gut ausgestaltet, dass auch am späten Abend und frühen Morgen, zum Teil auch in der Nacht, Busse und Züge fahren.
Die drei Alternativen der Austauschpfändung
Der BGH hat auch nicht in Zweifel gezogen, dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt. Der Gläubiger hat nach § 811a ZPO drei Möglichkeiten, die Austauschpfändung zu bewirken:
Er kann dem Schuldner, wie im Fall des BGH, ein Ersatzstück zur Verfügung stellen.
Hinweis
Hier läuft der Gläubiger aber Gefahr, in die Falle der "gerichtlichen Willkür" zu tappen. Ob der angebotene Gegenstand vergleichbar ist, ist weitgehend eine Wertungsfrage, die letztlich der Rechtspfleger oder Richter zu treffen hat. Das birgt das Risiko in sich, dass der Gläubiger einen Ersatzgegenstand beschafft hat, den er dann aber nicht einsetzen kann. Der BGH hat die Kriterien der Vergleichbarkeit allerdings für den in der Praxis besonders wichtigen Fall des Pkw-Austauschs genannt: die Lebensdauer und die Haltbarkeit, was übersetzt ein in etwa gleiches Alter des Fahrzeuges und eine in etwa gleiche Fahrleistung voraussetzt.
Der Gläubiger kann dem Schuldner aber auch die zur Ersatzbeschaffung erforderlichen Geldmittel überlassen.
Hinweis
Hier genügt es, wenn der Gläubiger – etwa durch eine Internetrecherche – feststellt, welcher finanzielle Aufwand für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug notwendig ist. Diese Nachweise (Screenshots) kann er dann ausdrucken und seinem Antrag beifügen. Der Betrag ist dann bei entsprechender Beschlussfassung an den Schuldner zu zahlen.
Letztlich kann der Gläubiger aber auch beantragen, dass dem Schuldner der erforderliche Betrag erst aus dem Versteigerungserlös zu überlassen ist.
Hinweis
Dies ist eine gute Gelegenheit, mit dem Schuldner Kontakt aufzunehmen und mit ihm die freihändige Veräußerung des Pkw unter Aufteilung des Erlöses im Vergleichswege zu besprechen. Eine freie Veräußerung bietet nämlich die Hoffnung auf einen dem Verkehrswert nahekommenden Wert. Das ist bei einer Zwangsversteigerung nicht gesichert.
Vorgehen in Hilfsanträgen ist möglich
Der Gläubiger sollte sich nicht darauf beschränken, eine der drei Alternativen zu wählen und seinen Antrag entsprechend auszugestalten. Vielmehr sollte er die drei Alternativen in eine für ihn passende Reihenfolge bringen und dann einen Hauptantrag und zwei Hilfsanträge stellen. So eröffnen sich ihm alle Optionen.