Materiell-rechtliche Einwendungen, damit auch der Einwand, dass Kontoführungsgebühren als Verzugsschaden oder als Schadensersatz aus unerlaubter Handlung nicht zu erstatten sind, sind grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder einem dem gleichstehenden Zeitpunkt – beim Vollstreckungsbescheid wie dem Versäumnisurteil dem Ablauf der Einspruchsfrist – zu erheben. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 767 Abs. 2 ZPO, der solche Einwendungen nach diesen Zeitpunkten präkludiert, wenn sie zuvor hätten geltend gemacht werden können. Kern dieser Präklusion ist die materielle Rechtskraft.
Prozessrecht vs. materielles Recht: die materielle Rechtskraft
Auf der Grundlage der weitgehend anerkannten prozessrechtlichen Auffassung der materiellen Rechtskraft liegt der Kern dieses Rechtsinstituts darin, eine losgelöst vom materiellen Recht begründete rein prozessual wirkende Bindung des Richters an die rechtskräftige Entscheidung anzunehmen. Sie steht jeder erneuten Verhandlung und Entscheidung des Streitgegenstandes (der res iudicata) entgegen (Musielak, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 322 ZPO Rn 5; Gottwald, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 322 Rn 9; Gruber, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK-ZPO, 26. Edition (15.9.2017), § 322 Rn 10).
Die materielle Rechtskraft verhindert also die Wiederholung eines bereits geführten Rechtsstreits nicht deshalb, weil die Bindung an den rechtskräftigen Richterspruch eine davon abweichende Entscheidung ausschließt und demzufolge der Partei – hier dem Schuldner – einerseits schon das Rechtsschutzinteresse für eine erneute Anrufung des Gerichts fehlt. Durch einen Widerspruch oder Einspruch hätte er die gerichtliche Befassung bereits erreichen können. Vielmehr wird ein Wiederholungsverbot aufgestellt, das ein "ne bis in idem" ausspricht ("Nicht zweimal in derselben Sache"; ständige höchstrichterliche Rechtsprechung: BGH NJW 1993, 2942; BGH NJW 2004, 1252; BGH NJW 2004, 1805; vgl. auch Gottwald, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 322 Rn 10 ff.).
Materielle Rechtskraft setzt formelle Rechtskraft voraus
Da die materielle Rechtskraft bezweckt, den Bestand der richterlichen Entscheidung zu sichern, kann sie erst in einem Zeitpunkt eintreten, in dem feststeht, dass der Richterspruch nicht mehr abänderbar ist. Dies ist der Zeitpunkt, in dem eine Korrektur der Entscheidung aufgrund von Rechtsmitteln ausgeschlossen werden kann. Die materielle Rechtskraft setzt folglich den Eintritt der formellen Rechtskraft voraus. Bei einem Urteil ist dies der Zeitpunkt des Ablaufes der Berufungs- oder Revisionsfrist, bei einem Vollstreckungsbescheid grundsätzlich der Ablauf der Einspruchsfrist.
Vollstreckungsbescheide sind der materiellen Rechtskraft fähig
Nicht völlig unbestritten, aber letztlich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt sind neben Endurteilen auch Vollstreckungsbescheide der materiellen Rechtskraft fähig (BGHZ 176, 74, 77 = NJW 2008, 2125 f.; BGHZ 101, 380, 382 = NJW 1987, 3256; BGHZ 112, 54 = NJW 1991, 30; BGH NJW 1987, 3259, 3260; 1998, 2818 f.; BayVfGH NZG 2011, 753, 754; Grunsky, JZ 1986, 626 ff.; Münzberg, JZ 1987, 477 ff., 818 f.; Prütting/Weth, Rechtskraftdurchbrechung bei unrichtigen Titeln, 1988, Rn 49 ff., 75; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Wieczorek/Schütze/Olzen Rn 16 ff.; Schilken, ZPR Rn 1014; Musielak, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 322 Rn 6 und § 700 Rn 3). Die Besonderheit, dass der Vollstreckungsbescheid ohne eine materielle Schlüssigkeitsprüfung zu einem titulierten Anspruch führt, wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als Argument gegen die Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft gesehen. Die Problematik wird vielmehr im Rahmen der Prüfung der Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB gelöst.
Vollstreckung ist uneingeschränkt möglich
Damit steht zunächst fest, dass Kontoführungsgebühren, soweit diese tituliert wurden, ungeachtet der Frage, ob die Titulierung mit einem Urteil oder in einem Vollstreckungsbescheid erfolgt ist, weiter beigetrieben werden können. Über die Berechtigung der Forderung ist rechtskräftig entschieden.
Hinweis
Einem Vollstreckungsorgan fehlt es deshalb an der Prüfungskompetenz, ob die verlangten titulierten Nebenforderungen zu Recht tituliert wurden. Weder darf der Gerichtsvollzieher dies vor einer gütlichen Einigung oder Sachpfändung noch der das Vollstreckungsgericht repräsentierende Rechtspfleger bei der Forderungspfändung diese Fragestellung aufwerfen. Der Schuldner, der die Berechtigung der titulierten Nebenforderung bestreitet, muss sein vermeintliches Recht vielmehr vor dem Prozessgericht suchen. Hierauf ist er von den Vollstreckungsorganen zu verweisen.
Alleiniges Rechtsmittel: Klage aus § 826 BGB
Bejaht man mit der Rechtsprechung des BGH die materielle Rechtskraft auch für einen Vollstreckungsbescheid, so kann diese nur über die Klage des Schuldners aus § 826 BGB durch brochen werden. Im Hinblick darauf, dass die Titulierung im Wege des Vollstreckungsbescheides ohne richterliche Beteiligun...