Der Gläubiger wird in der Praxis prüfen müssen, ob die Rechtsnachfolge nicht auf Offenkundigkeit in Form der gerichtsbekannten Generalakte gestützt werden kann. Es entfällt dann nach dem eindeutigen Wortlaut von § 750 Abs. 2 ZPO das Erfordernis der Zustellung von Urkunden.
Generalakte begründet Offenkundigkeit
Die gerichtliche Kenntnis der Urkunde durch die Anlage einer Generalakte stellt die Offenkundigkeit nach § 291 ZPO her (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, § 291 Rn 2; Prütting, in: Münchner Kommentar zu ZPO, § 291 Rn 9; Stackmann, NJW 2010, 1409, 1410; a.A. aber Musielak, ZPO, § 291 Rn 2). Dass die Generalakte zur Offenkundigkeit führt, ist zumindest im Verwaltungsprozess auch bereits entschieden (VG München v. 10.4.1997 – M 9 K 95.53107; OVG Rheinland-Pfalz NVwZ-RR 1991, 221). Es ist gerade Zweck der Generalakte – wie sich schon aus dem Begriff ergibt –, die generelle Gerichtskenntnis herzustellen.
Hinweis
Offenkundigkeit liegt also nicht erst dann vor, wenn der Schuldner die "offenkundige Tatsache" in einem öffentlichen Register nachvollziehen könnte. Einer solchen Sichtweise stünde der eindeutige Wortlaut von § 291 ZPO entgegen. Danach ist nur erforderlich, dass die Tatsachen beim Gericht offenkundig sind. Es bedarf also keiner Offenkundigkeit für den Schuldner oder gar die Allgemeinheit.
Dem Transparenzgedanken ist genügt
§ 750 Abs. 2 ZPO dient vielmehr dem Ziel, dem Schuldner die Rechtsnachfolge transparent zu machen und ihm einen erleichterten Zugriff auf die zugrunde liegenden Quellen zu verschaffen. Das ist bei einem Geständnis nach § 730 ZPO entbehrlich, weil ihm in der Regel der Umstand zugrunde liegt, dass der alte oder der neue Gläubiger den Nachweis gegenüber dem Schuldner schon geführt haben. Beim Nachweis durch Urkunden ist es dagegen anders. Diese befinden sich im Besitz des Gläubigers und sind für den Schuldner nicht ohne Weiteres greifbar. Anders verhält es sich dagegen bei der Aufnahme in die Generalakten. Hier wird die Transparenz erreicht, indem der Schuldner die Rechtsnachfolge tatsächlich prüfen kann. Das ist gewährleistet, wenn er sich die Kenntnis hiervon verschaffen kann. Das ist durch § 299 ZPO sichergestellt, der dem Schuldner insoweit ein Akteneinsichtsrecht gibt. Für eine gegenteilige Sicht fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
Hinweis
Diese Sichtweise trägt auch Datenschutzbelangen stärker Rechnung. Werden nämlich ganze Forderungspakete verkauft, so werden in den Abtretungen regelmäßig auch alle Schuldner mit allen Identitätsmerkmalen, der Vollstreckungstitel und häufig auch die offene Restforderung genannt. Müssten diese Urkunden dem Schuldner gleichwohl zugestellt werden, wäre dem Grundsatz der Datensparsamkeit nicht hinreichend Rechnung getragen. Eine vollständige oder teilweise Schwärzung ist im Hinblick auf die Prüffähigkeit nicht unproblematisch.
Eine Schlechterstellung des Schuldners ist damit nicht verbunden. Der Erteilung der Klausel wegen Offenkundigkeit steht § 750 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. § 750 Abs. 2 folgt der Nachweismöglichkeit nach § 727 ZPO und gilt insoweit nur für zwei der vier Nachweismöglichkeiten. Demgegenüber begründet er nicht das Erfordernis der Zustellbarkeit des Nachweises. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des Umstandes, dass § 727 Abs. 1 ZPO i.V.m. mit § 730 ZPO die Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel in vier Fällen vorsieht (s.o.), nur für den Fall des Urkundennachweises ein weitergehendes Zustellungserfordernis normiert. Schon der Wortlaut begründet deshalb, dass § 750 Abs. 2 ZPO nicht als Argument herangezogen werden kann, um die Umschreibung auf Grundlage der Offenkundigkeit zu verneinen. Das ist auch sachlich begründet. Während der Schuldner nämlich in den Fällen des nicht offenkundigen Urkundennachweises – weil die Urkunden im Besitz des Gläubigers sind – keinen Zugriff auf den Nachweis der Rechtsnachfolge hat und deshalb auf die Urkunden zur transparenten Prüfung angewiesen ist, fehlt es in den weiteren Fällen an dieser Notwendigkeit. Im Fall der Offenkundigkeit gibt § 299 ZPO nämlich dem Schuldner jederzeit die Möglichkeit, in die Generalakte Einsicht zu nehmen. Deshalb ist etwa auch anerkannt, dass bei einem vom gleichen Gericht erteilten Erbschein (= Urkunde) die Rechtsnachfolge aufgrund einer offenkundigen Tatsache erteilt werden kann. Der Nachweis der Rechtsnachfolge im Wege der Offenkundigkeit liefe leer, wenn man dies anders sehen wollte. Es wäre dann kaum ein praxisrelevanter Fall vorstellbar, in dem die Rechtsnachfolgeklausel aufgrund von Offenkundigkeit erteilt werden könnte, weil gerichtliche Akten stets auch Urkunden sind.
Auf die Antragstellung kommt es an
Bei der Antragstellung ist darauf zu achten, dass die Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge in der Vollstreckungsklausel ausdrücklich erwähnt wird, § 727 Abs. 2 ZPO. Die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel erfolgte im Fall des Lesers deshalb aufgrund von Urkunden, weil er dies auch entsprechend beantragt hat.