I. Das Problem
Zwangsvollstreckung im Wege der Forderungspfändung
Der Gläubiger betreibt, vertreten durch ein Inkassounternehmen, die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen einer Forderung in Höhe von etwa 3.500 EUR. Es wurde zunächst die Pfändung des Arbeitslohns veranlasst, die jedoch erfolglos geblieben ist. Anschließend sollte nun das inzwischen ermittelte Konto gepfändet werden. In der Forderungsaufstellung wurden die Rechtsverfolgungskosten – Inkassokosten nach § 4 Abs. 4 RDGEG i.V.m. §§ 788, 91 ZPO – für den ersten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aus einem Gegenstandswert in Höhe der Vollstreckungsforderung aufgeführt.
Rechtspfleger setzt die Kosten ab
Der Rechtspfleger möchte die Rechtsverfolgungskosten des ersten PfÜB weitgehend absetzen. Er ist der Auffassung, der Gegenstandswert für den ersten PfÜB sei – nachträglich – auf 0,00 EUR festzusetzen, weil die Pfändung ohne Erfolg geblieben ist. Mit der Angabe der Rechtsverfolgungskosten im ersten Antrag seien diese nicht abschließend, sondern nur vorläufig festgesetzt worden. Hat der Rechtspfleger mit seiner Auffassung Recht?
II. Die Lösung
Die Bestimmung des Gegenstandswerts in der Zwangsvollstreckung
Der Gegenstandswert in Zwangsvollstreckungssachen bestimmt sich grundsätzlich nach § 25 Abs. 1 RVG.
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Danach ist auf der ersten Stufe die Höhe der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen, also auch der bisherigen Zinsen und Kosten, mithin die aktuelle Gesamtforderung maßgeblich. |
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Soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat dieser einen geringeren Wert, ist auf der zweiten Stufe allerdings der geringere Wert begrenzend maßgebend. |
Unter dem Begriff des zu pfändenden "Gegenstandes" versteht man Sachen und Rechte, weshalb die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur davon ausgeht, dass darunter auch gepfändete Forderungen fallen (OLG Köln InVo 2001, 148; LG Stuttgart AGS 2013, 475; LG Hamburg ZMR 2009, 697; LG Kiel JurBüro 1991, 1198; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl. 2019; § 25 Rn 12; Schneider/Wolf, RVG, 8. Aufl. 2017, § 25 Rn 32; BeckOK-RVG/Sommerfeldt, 49. Ed. [Stand 1.9.2020], Rn 9; a.A. AG Chemnitz AGS 1995, 92).
Auswirkung der erfolglosen Pfändung: Ex-ante- oder Ex-post-Betrachtung?
Dies allein besagt aber noch nicht, dass eine ins Leere gehende Forderungspfändung mit einem Wert von 0,00 EUR zu berücksichtigen ist. So ist streitig, ob für Forderungen als Vollstreckungsgegenstand auf den – sich nachträglich zeigenden – objektiven Wert abzustellen ist oder auf den Wert, den sich der Gläubiger vorgestellt hat.
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Ein Teil der Literatur will auf den "objektiven Wert im Zeitpunkt der die Verfahrensgebühr auslösenden Tätigkeit" abstellen (Schneider/Wolf, RVG, 8. Aufl. 2017, § 25 Rn 6). Der Wert liege also objektiv von vorneherein fest, der Gläubiger erfahre von diesem Wert allerdings erst später. Dem folgen auch das OLG Köln Rpfleger 2001, 199 und LG Hamburg JurBüro 2001, 110. |
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Andere stellen auf das behauptete Gläubigerinteresse ab (Volpert, RVGReport 2005, 10; LG Kiel JurBüro 1991, 1198; LG Koblenz AGS 2005, 510). Im Regelfall hat ein Gläubiger stets die Erwartung, eine Forderungspfändung werde seine Forderung vollständig befriedigen können. Deshalb ist der Wert der gepfändeten Forderung in solchen Fällen nicht geringer als derjenige der zu vollstreckenden Forderung (LG Koblenz RVGBerater 2005, 135). |
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Nach differenzierterer Ansicht ist von dem Gegenstandswert der dem Rechtsdienstleister zustehenden Gebühren nach den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers vom Wert des Vollstreckungsobjekts zu Beginn der Tätigkeit auszugehen, sofern diese hinreichend plausibel sind und eine nachvollziehbare tatsächliche Basis haben (OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 501 mit umfangreichen Nachweisen) |
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Besteht die Forderung überhaupt nicht oder ist sie unpfändbar, wird nach anderer Ansicht auf den Mindestwert abzustellen sein (LG Hamburg JurBüro 2005, 326; OLG Köln JurBüro 1987, 1048; OLG Brandenburg BeckRS 2016, 17806). |
Gläubiger werden mit unterschiedlicher Behandlung leben müssen
Aktuell zeigt die Praxis, dass ein Teil der Rechtsprechung und Literatur die niedrigste Gebührenstufe (bis 500 EUR) dem Vollstreckungsantrag zugrunde legt (OLG Köln InVo 2001, 148; LG Hamburg ZMR 2009, 697; LG Kiel SchlHA 1990, 12; AG Hamburg-Altona AGS 2007, 100 m. abl. Anm. Mock; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, 3. Aufl. 2008, § 25 Rn 10; Bischof-Bräuer, RVG, § 25 Rn 12; Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl. 2009, § 25 Rn 6).
Hinweis
Nach dieser Ansicht ergibt sich eine Gebühr von 15,00 EUR (Mindestgebühr nach § 13 Abs. 2 RVG) nebst Auslagen, d.h. eine Vergütung von 18,00 EUR netto. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass ein Rechtsdienstleister bei dieser Vergütung die Forderungsvollstreckung nicht im Ansatz auskömmlich betreiben kann.
Nach anderer Praxis ist der Gegenstandswert dann nach dem erstrebten Interesse des Gläubigers in Höhe der Vollstreckungsforderung zu bemessen (LG Düsseldorf AGS 2006, 86; LG Hamburg AnwBl 2006, 499 = JurBüro 2005, 326; LG Kobl...