Leitsatz
1. Der Haftbefehl ergeht wegen "einer Forderung" aus einem Titel. Diese Forderung wird durch die Forderungsaufstellung des Gläubigers in dem Vollstreckungsauftrag bestimmt. Unerheblich ist, ob die Forderungsaufstellung oder der Vollstreckungsauftrag des Gläubigers in dem Haftbefehl bezeichnet wird.
2. Ein bereits erlassener Haftbefehl kann nicht vollstreckt werden, wenn genau diese Forderung zu einem späteren Zeitpunkt von dem Schuldner beglichen wird.
3. Grundlage eines Haftbefehls können, wie insgesamt bei der Vollstreckung, nur bereits fällige Ansprüche des Gläubigers sein. Einen "Vorratshaftbefehl" sieht das Gesetz nicht vor.
AG Schöneberg, Beschl. v. 16.9.2021 – 32 M 802/21
1 Der Fall
Schuldner verweigert die Abgabe der Vermögensauskunft
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Vollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen eines Kindes. Mit Vollstreckungsauftrag vom 13.8.2019 begehrte die Gläubigerin entsprechend der beigefügten Forderungsaufstellung wegen rückständigen Unterhalts für den Monat August 2019 die Abnahme der Vermögensauskunft vom Schuldner. Nachdem der ordnungsgemäß geladene Schuldner zu dem zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termin nicht erschienen ist, erließ das AG Haftbefehl.
GV verweigert Vollziehung eines Haftbefehls und weitere Vollstreckungsmaßnahmen
Mit weiterem Vollstreckungsauftrag vom 11.5.2021 begehrte die Gläubigerin neben der Pfändung körperlicher Sachen (Modul K) die Durchführung von Ermittlungen (Modul L), die Einholung von Drittauskünften (Modul M) sowie die Verhaftung des Schuldners. Hierzu bezog sie sich auf den vorbezeichneten Haftbefehl. Die dem Vollstreckungsauftrag beigefügte Forderungsaufstellung wies einen Rückstand für Mai 2021 in Höhe von 67,14 EUR (Restforderung) auf.
Die Obergerichtsvollzieherin (OGV) lehnte die begehrten Amtshandlungen ab und führte zur Begründung aus, dass der Haftbefehl verbraucht sei. Dieser sei im März 2020 ergangen. Die dem Haftbefehl zugrunde liegenden Unterhaltsrückstände für den Monat August 2019 seien inzwischen – unstreitig – gezahlt. Eine Verhaftung des Schuldners für Rückstände aus Mai 2021 sei nicht möglich.
Dem tritt die Gläubigerin mit der Erinnerung vom 18.6.2021 entgegen. Sie trägt vor, eine Verhaftung könne nur unterbleiben, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft abgibt, oder die Leistung, die ihm laut Haftbefehl obliegt, erbringt. Dadurch werde der Haftbefehl aber nicht "verbraucht". Hier nehme der Haftbefehl nur Bezug auf einen Titel bzw. eine titulierte Forderung, nicht aber auf einen bestimmten Vollstreckungsauftrag. Die Forderung aus dem Titel lebe jeden Monat wieder auf.
2 II. Die Entscheidung
GV muss weitere Vollstreckungsmaßnahmen ausführen
Zu Unrecht weigert sich die Obergerichtsvollzieherin, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 11.5.2021 auszuführen, soweit sich dieser auf die Module K, L und M bezieht. Diese von der Gläubigerin begehrten Amtshandlungen stehen nicht im Zusammenhang mit der Vollstreckung des Haftbefehls. Eine tragfähige Begründung, warum diese von der Gläubigerin begehrten Amtshandlungen nicht durchgeführt werden sollen, legt die OGV nicht dar. Wertgrenzen für die Einholung von Drittauskünften bestehen nicht mehr.
Da die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 750 Abs. 1 ZPO vorliegen und nicht ersichtlich ist, welche Gründe gegen die Durchführung dieser Amtshandlungen sprechen, war die Gerichtsvollzieherin diesbezüglich anzuweisen.
Der Haftbefehl ist dagegen nicht (mehr) vollstreckbar
Indes weigert sich die OGV zu Recht, den Haftbefehl zu vollstrecken. Zutreffend weist die OGV darauf hin, dass der Haftbefehl nicht mehr vollstreckbar ist, da die dem Haftbefehl zugrunde liegende Forderung unstreitig erfüllt ist.
Die Zulässigkeit der Vollstreckung des Haftbefehls definiert sich nicht allein über den dem Haftbefehl zugrunde liegenden Titel, hier den Versäumnisbeschluss des AG, sondern auch durch die geltend gemachte Forderung, wie sie in dem Vollstreckungsauftrag, der zum Erlass des Haftbefehls führte, aufgeführt ist. Dem vorangegangenen Vermögensauskunfts- und Haftbefehlsverfahren lagen Unterhaltsrückstände des Schuldners für den Monat August 2019 zugrunde. Allein wegen dieses Rückstandes wurde das Vermögensauskunftsverfahren – welches in den Haftbefehl mündete – betrieben. Nachdem diese Forderung unstreitig beglichen ist, kann der wegen dieser Forderung erlassene Haftbefehl nicht mehr vollstreckt werden. Zutreffend weist die Gläubigerin insoweit darauf hin, dass die Verhaftung zu unterbleiben hat, wenn der Schuldner die Leistung, die ihm laut Haftbefehl obliegt, erbringt, vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 802g Rn 20. Genau dies hat der Schuldner vorliegend getan.
Gegenargumente der Gläubigerin überzeugen das AG nicht
Den entgegenstehenden rechtlichen Erwägungen der Gläubigerin folgt das Gericht aus mehreren Gründen nicht.
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Der Haftbefehl ergeht wegen "einer Forderung" aus einem Titel. Genau diese Forderung wird durch die Forderungsaufstellung des Gläubigers in dem Vollstreckungsauftrag bestimmt. Unerheblich ist, ob die Fo... |