Leitsatz
1. Im Rahmen der Vollstreckungserinnerung kann nicht in die Dienstzeiten eines Gerichtsvollziehers (GV) eingegriffen werden. Dem GV kann nicht vorgeschrieben werden, wann er bestimmte Vollstreckungsversuche durchzuführen hat. Dies steht ausschließlich im Ermessen des GV.
2. Wenn der Schuldner tatsächlich, wie vom Gläubiger behauptet, am Wochenende zu Hause ist, aber wie zuvor bereits erfolgt erneut die Tür nicht öffnet, kann der GV weder eine Vollstreckung noch eine Verhaftung vornehmen. In beiden Fällen müsste die Tür mit Hilfe eines Schlossers zwangsweise geöffnet werden. Der Gerichtsvollzieher handelt deshalb rechtmäßig, wenn er hierfür beim Gläubiger einen Kostenvorschuss anfordert und im Falle der Nichtzahlung die Zwangsvollstreckung einstellt.
AG Kassel, Beschl. v. 17.8.2023 – 630 M 231/23
1 Der Fall
Erfolgslose Vollstreckung endet mit Haftbefehl
Mit Antrag vom 19.1.2023 beantragte der Gläubiger die Durchführung verschiedener Vollstreckungsmaßnahmen. Der Schuldner reagierte auf die Vollstreckungshandlungen nicht. Dies führte dazu, dass durch das AG am 6.9.2022 ein Haftbefehl erlassen wurde. Zusätzlich wurde, weil der Schuldner weiterhin nicht reagierte, auf Antrag des Gläubigers am 25.11.2022 durch das AG ein Beschluss gemäß § 758a Abs. 4 ZPO erlassen.
GV fordert Vorschuss für Öffnung der Wohnung
Letztmals am 4.4.2023 wurde durch den zuständigen Gerichtsvollzieher eine Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt. Diese verlief ebenfalls ergebnislos. Daraufhin forderte der zuständige Gerichtsvollzieher für die Öffnung der Räumlichkeiten des Schuldners einen Kostenvorschuss von 500 EUR. Der Zahlung des Kostenvorschusses kam der Gläubiger nicht nach. Daraufhin stellte der zuständige Gerichtsvollzieher die Vollstreckung ein.
Der Gläubiger beanstandet mit seiner Erinnerung das Verhalten des Gerichtsvollziehers. Er meint, der Gerichtsvollzieher habe die Vollstreckung am Wochenende nicht versucht, obwohl der Gerichtsvollzieher von ihm darauf hingewiesen worden sei, dass es Anhaltspunkte dafür gäbe, dass der Schuldner am Wochenende anzutreffen sei.
Gläubiger begehrt erneuten Verhaftungsversuch zu abweichender Zeit
Der Gläubiger beantragt nun im Wege der Erinnerung, dass das Vollstreckungsgericht den zuständigen GV unter nochmaligem Erlass eines Beschlusses gemäß § 758 Abs. 4 ZPO anweist, die Verhaftung des Schuldners aufgrund des Haftbefehls zwecks Abnahme der Vermögensauskunft zur Nachtzeit sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen gemäß § 758 Abs. 4 ZPO zu versuchen, bevor weitere kostenträchtige Schritte – etwa die Öffnung der Wohnung des Schuldners unter Zuhilfenahme eines Schlossers – in die Wege geleitet werden.
Der GV half der Erinnerung nicht ab, sodass nunmehr das Vollstreckungsgericht zu entscheiden hatte.
2 II. Die Entscheidung
Die Erinnerung ist zulässig, jedoch nach Auffassung des AG unbegründet.
AG sieht den GV nicht weitergehend verpflichtet
Mit der Erinnerung nach § 766 ZPO können Vorbringen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder des vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtenden Verfahrens durch das Vollstreckungsgericht überprüft werden. Es können hiernach nur formelle Mängel der Zwangsvollstreckung gerügt werden, also Verletzungen des Vollstreckungsverfahrensrechts, wohingegen materielle Einwendungen im Erinnerungsverfahren gerade nicht geprüft werden (BGH NJW-RR 2010, 281, vgl. Preuß, Beck'scher OK-ZPO, Stand 1.6.2015, § 766 Rn 5).
AG sieht nur die Möglichkeit der Öffnung der Wohnungstür
Dem GV kann nach Auffassung des Gerichts ein Verstoß gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nicht gemacht werden. Wenn der GV auf einen nicht mitwirkungsbereiten Schuldner trifft, bleibt ihm letztlich keine andere Wahl, als die Wohnung zwangsweise öffnen zu lassen. Daher hält es das Gericht für rechtmäßig, einen Kostenvorschuss anzufordern und bei Nichtzahlung dieses Vorschusses die Vollstreckung zunächst einzustellen.
Zeitpunkt der Vollstreckung liege allein im Ermessen des GV
Es steht im Ermessen des GV, wann er seine Vollstreckungsversuche durchführt. Im Rahmen der Vollstreckungserinnerung kann nach Auffassung des Gerichts nicht in die Dienstzeiten des GV eingegriffen werden bzw. kann ihm vorgeschrieben werden, wann er bestimmte Vollstreckungsversuche durchzuführen hat. Dies steht ausschließlich im Ermessen des GV. GV unterstehen keinen Dienstzeiten, sodass diese auch nicht im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO angeordnet werden bzw. entsprechende Anweisungen erfolgen können.
AG sieht keinen Ermessensfehler
Dem GV kann auch kein Ermessensfehler angelastet werden. Denn selbst wenn der Schuldner am Wochenende unter der angegebenen Adresse anzutreffen wäre, könnte die Vollstreckung ohne einen Schlosser nicht zwingend erfolgreich durchgeführt werden. Wenn der Schuldner zu Hause ist und die Tür nicht öffnet, kann der GV ebenfalls nicht die Verhaftung vornehmen. Auch dann bleibt keine andere Wahl, als die Tür mit Hilfe eines Schlossers zwangsweise öffnen zu lassen. Mithin ist die Anforderung eines Kostenvorschusses in jedem Fall erforderlich...