Kein Versagungsgrund für den Zuschlag
Der Zuschlag ist zu Recht nicht versagt worden. Ein Versagungsgrund ist nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG unter anderem dann gegeben, wenn die Zwangsversteigerung aus einem sonstigen Grund unzulässig ist. Die Rücknahme des Antrags gemäß § 29 ZVG stellt zwar einen solchen sonstigen Grund dar (vgl. Böttcher/Böttcher, ZVG, 7. Aufl., § 83 Rn 7). Im vorliegenden Fall liegt aber jedenfalls im Ergebnis keine Rücknahme des Vollstreckungsantrags vor.
Rücknahmeerklärung schon zweifelhaft
Es ist bereits zweifelhaft, ob in der Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 die Rücknahme des Vollstreckungsantrags gemäß § 29 ZVG zu sehen ist. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 im Versteigerungstermin erklärt, er nehme den Vollstreckungsantrag zurück. Dafür, dass es auf Seiten des Beteiligten zu 1 und seines Verfahrensbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung über eine Antragsrücknahme gekommen ist, spricht aber der Ablauf der anschließenden Erörterung im Versteigerungstermin. Auf die Nachfrage des Rechtspflegers, ob dies wirklich so gewollt sei, revidierte der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 nämlich seine Äußerung, nahm die Rücknahme des Versteigerungsantrags zurück und beantragte die Erteilung des Zuschlags.
Die Rücknahmeerklärung ist sodann nicht, wie gemäß §§ 78, 80 ZVG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO erforderlich, in das Protokoll aufgenommen worden (vgl. dazu BGH NJW-RR 2010, 1458 Rn 12); dementsprechend ist eine Genehmigung gemäß § 162 Abs. 1 S. 3 ZPO unterblieben. Auch wenn die Sitzungsniederschrift lediglich Beweiszwecken dient und die Genehmigung nicht im Sinne eines Formerfordernisses zu verstehen ist, sondern nur für die Richtigkeit des Protokolls zusätzliche Gewähr bieten soll (vgl. BGH NJW 1984, 1465 f.; BGH NJW-RR 2007, 1451), dürfte es dem Sinn einer Erörterung im Termin entsprechen, dass Prozesserklärungen noch überdacht und gegebenenfalls revidiert werden können, bevor sie endgültig abgegeben und sodann genehmigt werden.
BGH klärt Streitfrage: Rücknahme wurde wirksam widerrufen
Eine Entscheidung hierüber kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn der Beteiligte zu 1 bereits die Rücknahme des Vollstreckungsantrags erklärt hätte, wäre die Rücknahmeerklärung, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, jedenfalls wirksam widerrufen worden.
Allerdings ist umstritten, ob eine Antragsrücknahme nach § 29 ZVG wirksam widerrufen werden kann.
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Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Antragsrücknahme vor Erlass des Aufhebungsbeschlusses widerrufen werden könne, weil die Beschlagnahmewirkungen nur durch einen konstitutiven Aufhebungsbeschluss entfielen und somit auch erst hierdurch das Verfahren beendet werde (vgl. Böttcher/Böttcher, ZVG, 7. Aufl., § 29 Rn 6 f.; Noethen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 29 Rn 7). |
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Die insbesondere in der älteren Rechtsprechung und Literatur vertretene Gegenmeinung sieht in der Rücknahmeerklärung eine ab dem Eingang bei Gericht unwiderrufliche verfahrensbeendende Prozesshandlung (vgl. AG Bamberg Rpfleger 1969, 99; AG Euskirchen Rpfleger 1973, 149; Löhning/Jobst, ZVG, § 29 Rn 9; Stöber/Nicht, ZVG, 23. Aufl., § 29 Rn 5; Drischler, JurBüro 1964, 1, 4; Ordemann, AcP 157 [1958/59], 470, 475). Gestützt wird diese Auffassung vornehmlich auf ein Verständnis, wonach dem Aufhebungsbeschluss nach § 29 ZVG lediglich deklaratorische Wirkung zukomme. |
Die erstgenannte Auffassung trifft zu.
Widerruf von Prozesshandlungen bei Be- und Erwirkungshandlungen
Im Ausgangspunkt sind Prozesshandlungen wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung dann grundsätzlich unwiderruflich, wenn sie als sogenannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen, wie dies etwa bei der Rücknahme der Klage oder der Rücknahme eines Rechtsmittels der Fall ist (vgl. BGH NJW 2016, 716; BGH NJW 2015, 2425; BGH WM 2022, 2421).
Prozesshandlungen, deren bezweckter Erfolg erst aufgrund eines Tätigwerdens des Gerichts eintritt (sogenannte Erwirkungshandlungen), sind dagegen widerruflich, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist. Unter dem Tätigwerden des Gerichts ist dabei eine gerichtliche Entscheidung, durch die auf den Prozess eingewirkt wird, zu verstehen (vgl. Stein/Jonas/Kern, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rn 252; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., vor § 128 Rn 14).
Rücknahme des Versteigerungsantrags ist Erwirkungshandlung
Daran gemessen handelt es sich bei der Rücknahme des Versteigerungsantrags um eine Erwirkungshandlung. Infolgedessen ist die Rücknahme des Versteigerungsantrags nach § 29 ZVG als eine auf den Erlass des Aufhebungsbeschlusses gerichtete Prozesshandlung grundsätzlich bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses widerruflich; die mit der Rücknahme des Versteigerungsantrags bezweckte Verfahrensbeendigung tritt erst mit dem konstitutiv wirkenden Aufhebungsbeschluss ein.
Geklärt: Rücknahme des Antr...