Leitsatz
Eine erteilte und vorgelegte einfache Vollstreckungsklausel hat das Vollstreckungsgericht nicht dahingehend zu überprüfen, ob eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist.
BGH, 25.10.2012 – VII ZB 57/11
1 I. Der Fall
Vollstreckung mit Titel und (einfacher) Klausel …
Der Gläubiger betreibt aus übergegangenem Recht (§ 7 UVG) aufgrund eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Familiengerichts die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner.
… was dem Rechtspfleger nicht reicht!
Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) zurückgewiesen, da die nach § 724 Abs. 2 ZPO vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilte vollstreckbare Ausfertigung nicht ausreiche. Die Forderung sei nur bedingt tituliert, nämlich unter der Voraussetzung, dass Unterhaltsvorschüsse erbracht seien. Erforderlich sei daher eine vom Rechtspfleger des Familiengerichts erteilte vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 ZPO. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das LG zurückgewiesen, zugleich aber die Rechtsbeschwerde zugelassen.
2 II. Die Entscheidung
Vollstreckungsgericht fehlt die Prüfungskompetenz
Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines PfÜB rechtsfehlerhaft davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger eine gemäß § 726 Abs. 1 ZPO qualifizierte Vollstreckungsklausel vorlegt. Dies stand nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts.
Klauselerteilungsverfahren geht der Zwangsvollstreckung voraus
Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt gemäß § 724 Abs. 2 ZPO grundsätzlich durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des titelschaffenden Gerichts. Geht dort ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel ein, obliegt es ihm auch zu prüfen, ob der Titel Vollstreckungsbedingungen im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO enthält und es deshalb gemäß § 20 Nr. 12 RPflG dem Rechtspfleger vorbehalten ist, eine dann erforderliche qualifizierte Klausel zu erteilen. Gegenstand dieser Prüfung ist der Inhalt des Titels, der in der Regel durch Auslegung zu ermitteln ist.
Hier dürfen eigenständig Fehler gemacht werden …
Gelangt die Prüfung durch den Urkundsbeamten zu einem objektiv falschen Ergebnis und erteilt er zu Unrecht eine einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO, so liegt darin eine fehlerhafte Ausübung der ihm nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben.
… die nicht im Vollstreckungsverfahren korrigiert werden können
Der Fehler betrifft aber lediglich die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel, die grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt ist. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Deshalb ist es nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen (BGH NJW-RR 2012, 1146; BGH NJW-RR 2012, 1148; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 724 Rn 14; MüKoZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 724 Rn 4, 15; Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 Rn 18; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 16 Rn 16; Giers, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2010, § 724 ZPO Rn 5).
3 III. Der Praxistipp
Der mündige Schuldner ist gefordert …
Die Entscheidung des BGH bedeutet nicht, dass der Schuldner rechtlos gestellt ist. Vielmehr muss er die ihm gegebenen Rechtsmittel nutzen, um gegen eine aus seiner Sicht fehlerhafte Klausel vorzugehen.
… die Erinnerung nach § 732 ZPO oder …
Er kann einerseits die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO einlegen, wenn er Einwendungen erheben kann, die die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel betreffen. Zu diesen Einwendungen gehört es auch, dass nicht eine einfache, sondern eine qualifizierte Klausel erforderlich ist, da der Vollstreckungsanspruch im Sinne des § 726 BGB bedingt ist.
Hinweis
Für den Gläubiger gilt es zu beachten, dass eine qualifizierte Klausel nur erforderlich ist, wenn der vollstreckbare Anspruch von einer Bedingung abhängig ist, deren Eintritt vom Gläubiger zu beweisen ist. Muss der Schuldner den Eintritt bzw. Nichteintritt der Bedingung beweisen, verbleibt es bei der einfachen Klausel.
Beispiel
Im vorliegenden Fall war der vollstreckbare Anspruch nur gegeben, wenn Unterhaltsvorschüsse tatsächlich geleistet wurden. Diese Bedingung kann mit unterschiedlicher Konsequenz formuliert werden:
"Der Schuldner hat an den Gläubiger … EUR zu zahlen, soweit tatsächlich Unterhaltsvorschüsse an den Unterhaltsberechtigten in gleicher Höhe gezahlt wurden." Nach dieser Formulierung hat der Gläubiger die Erbringung von Unterhaltsvorschüssen zu beweisen, so dass es einer qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO bedarf.
"Der Schuldner hat an den Gläubiger … EUR zu zahlen, es sei denn, es wurden keine Unterhaltsvorschüsse an den U...