Gesetzgeber macht Rolle rückwärts
Mit der Reform der Sachaufklärung hat der Gesetzgeber gegenüber der Reform aus dem Jahre 1999 eine Rolle rückwärts gemacht. Das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft wurde 1999 auf den Gerichtsvollzieher übertragen, weil man sich von der Sofortabnahme im zeitlichen Zusammenhang mit der Sachpfändung eine Beschleunigung der Zwangsvollstreckung versprach. Nun wird es ins Gegenteil verkehrt, ohne dass das Verfahren aber zugleich wieder auf den Rechtspfleger übertragen wird. Dies wäre allerdings wünschenswert gewesen, weil die Qualität der von den Rechtspflegern abgenommenen Vermögensauskünfte stets besser war. Aufgrund der Ausbildung der Rechtspfleger in der Forderungspfändung wussten diese weit besser, worauf bei der Befragung des Schuldners zu achten ist.
§ 807 ZPO erlaubt Sofortabnahme
In einer Sonderkonstellation bleibt die Sofortabnahme allerdings zulässig. Hat der Gläubiger die Vornahme der Pfändung beim Schuldner beantragt und hat der Schuldner die Durchsuchung (§ 758) verweigert oder ergibt der Pfändungsversuch, dass eine Pfändung voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Vermögensauskunft auf Antrag des Gläubigers abweichend von § 802f sofort abnehmen.
Sachpfändung ist ein Auslaufmodell
Eine Sonderkonstellation liegt insoweit vor, als dass die Sachpfändung angesichts ihrer Erfolgsquote von lediglich 0,113 % nach neuem Recht nur noch selten beauftragt werden sollte. Sie ist weder Voraussetzung der Abgabe der Vermögensauskunft wie noch vor dem 1.1.2013, noch ist sie notwendiger Bestandteil einer gütlichen Einigung nach § 802b ZPO. Sie macht deshalb in der Praxis nur noch dann Sinn, wenn der Gerichtsvollzieher zugleich und gezielt auf einen im Gewahrsam des Schuldners befindlichen wertvollen Gegenstand hingewiesen werden kann. Wird die Sachpfändung nicht beauftragt, scheidet aber auch die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft aus.
Sofortabnahme kann Vor- und Nachteile haben
Erteilt der Gläubiger einen kombinierten Auftrag zur Durchführung der Sachpfändung und nachfolgenden Vermögensauskunft, muss er also erwägen, die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft zu beantragen. Eine solche Vorgehensweise ist geeignet, die Zwangsvollstreckung zu beschleunigen. Sie ist auch kostengünstiger, weil der Schuldner nicht mehr gesondert geladen werden muss. Andererseits kann der Schuldner überrascht und nicht auf die Informationserteilung konzentriert sein. Auch kann er sich deshalb außerstande sehen, notwendige Unterlagen beizuziehen. Diese Vor- und Nachteile müssen abgewogen werden.
Ermessen darf nicht mit Willkür verwechselt werden
Das Amtsgericht stellt die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft in das Ermessen des Gerichtsvollziehers. Das erscheint zwar vertretbar, klärt aber nicht, ob es sich nicht lediglich um eine Ermächtigung handelt, von § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO abzuweichen. Auch lässt die Entscheidung nicht erkennen, ob denn der Gerichtsvollzieher überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Ermessen darf nämlich nicht mit Willkür verwechselt werden. Der Gesetzgeber sieht den Gläubiger als Herrn des Verfahrens (BT-Drucks 16/13432, S. 43 re. Spalte a.E.). Wenn er also dem Gläubiger ein Antragsrecht einräumt, ist dem grundsätzlich nachzugehen. Dafür spricht auch § 31 Abs. 2 GVGA, nach dem der Gerichtsvollzieher den Weisungen des Gläubigers nämlich Rechnung zu tragen hat, sofern die Weisung nicht dem Gesetz oder der GVGA widerspricht. Der Gerichtsvollzieher muss also gewichtige Argumente vortragen, weshalb er entgegen dem Antrag verfahren ist. Die Entscheidung des AG Augsburg lässt nicht erkennen, dass dies der Fall war. Hat der Gerichtsvollzieher aber gar kein Ermessen ausgeübt, ist dies ebenso fehlerhaft wie die abweichende Verfahrensweise ohne sachlichen Grund. Letzteres würde sich als Willkür darstellen.
Von RiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 1/2014, S. 14 - 16